Hilfloses Amerika
Barack Obama und die Krim-Krise
- Veröffentlicht: 05.03.2014
- 23:45 Uhr
- cwe, AP
Ein Abzug der russischen Truppen von der ukrainischen Halbinsel Krim ist nach Einschätzung von Beobachtern unwahrscheinlich. Die USA und Europa müssen damit nach einer Strategie suchen um zu verhindern, dass der russische Präsident Wladimir Putin auch andernorts in der ehemaligen Sowjetrepublik vollendete Tatsachen schafft. Für US-Präsident Barack Obama ist die Lage unangenehm. Er steht unter Druck zu zeigen, dass er in dem sich verschärfenden Konflikt zwischen Ost und West einen Ansatz zur Einflussnahme auf Putin findet.
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Bislang haben die Androhung von Wirtschaftssanktionen sowie eine Reihe von Maßnahmen wie die Absage von Handelsgesprächen mit Moskau und das Aussetzen der Vorbereitungen von Obamas Teilnahme am G8-Gipfel in Sotschi im Juni nicht zu einem Einlenken Putins geführt. "Ich bin nicht optimistisch, dass sie (die Truppen) abziehen", sagte Michael McFaul, bis vergangene Woche Obamas Botschafter in Russland, in einem Interview des Senders MSNBC.
McFaul betonte, er spreche damit nicht für die Regierung, sondern äußere seine persönliche Meinung. Das Weiße Haus hat die russischen Militärmanöver auf der Krim als Verletzung des Völkerrechts verurteilt. Eine langfristige Besetzung der Region "fänden wir nicht akzeptabel", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney.
Drohung einfach missachtet
Ein ranghoher US-Regierungsbeamter erklärte, über die Zukunft der Krim, wo sich fast 60 Prozent der Einwohner der russischen Volksgruppe zurechnen, müsse die ukrainische Regierung entscheiden. Die USA widersetzten sich jeglichen russischen Versuchen, die Krim formell zu annektieren oder deren Unabhängigkeit anzuerkennen. Solche Schritte würden Maßnahmen Moskaus im Konflikt mit der ehemaligen Sowjetrepublik Georgien 2008 spiegeln.
Nach der Flucht des abgesetzten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch vergangene Woche hatte Obama Putin vor einem Einmarsch auf der Krim gewarnt und erklärt, eine Verletzung der territorialen Integrität der Ukraine würde einen Preis haben. Putins umgehende Missachtung dieser Drohung rief Kritik von den Republikanern hervor. Senator John McCain beschuldigte Obama, eine "schwache Außenpolitik" zu vertreten, "bei der niemand mehr an die Stärke Amerikas glaubt".
Obama und seine Berater sagen, dass sie noch eine ganze Reihe von Optionen zur Verfügung hätten, darunter Wirtschaftssanktionen, die noch in dieser Woche in Kraft treten könnten. Die EU scheint zurückhaltender zu agieren, doch wollen die 28 Staats- und Regierungschefs am Donnerstag auf einem Krisengipfel in Brüssel über mögliche erste Sanktionen entscheiden. Manchen Beobachtern zufolge könnte es indes bereits zu spät sein, um einen russischen Kurswechsel zu erreichen.
Furcht vor weiterer Invasion
"Die Vorstellung, dass es einen Wettbewerb um die Krim gibt, ist ein bisschen albern", sagt Matthew Rojansky, ein Russlandexperte am Washingtoner Wilson Center. "Sie ist in russischer Hand, und sie war schon immer kurz davor, in russischer Hand zu sein." Viel wichtiger sei es für die USA, Putin davon abzuhalten, in prorussische Gebiete im Osten der Ukraine vorzudringen, erklärt Rojansky. Putin sagte am Dienstag, er sehe dort derzeit keinen Grund für eine russische Intervention, behalte sich aber das Recht zu diesem Schritt vor, sollten russischsprachige Einwohner der Region in Gefahr sein.
Die Hafenstadt Sewastopol auf der Krim ist Heimatstützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte. Janukowitsch hatte den entsprechenden Vertrag mit Russland bis 2042 verlängert, doch Moskau befürchtet, dass die neue ukrainische Übergangsregierung das Abkommen kündigen könnte.
Die USA fordern nach Angaben des ranghohen Beamten, der ungenannt bleiben möchte, keinen vollständigen russischen Abzug von der Krim. Washington möchte aber, dass sich die Truppen auf ihre normalen Posten in dem Stützpunkt zurückziehen, wo sich bis zu 11.000 Soldaten aufhalten dürfen.
Russland wird wohl niemals gehen
Beobachter haben die Lage mit der von Abchasien und Südossetien verglichen, zwei abtrünnigen Gebieten der früheren Sowjetrepublik Georgien. Russland unterhält in beiden weiterhin eine Militärpräsenz und verstößt damit gegen eine Waffenruhe, die seinen Konflikt mit Georgien 2008 beendete. Die USA und Europa haben das russische Vorgehen wiederholt verurteilt.
Barry Pavel, der unter Obama und dessen Vorgänger George W. Bush Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus war, sagt, die Kontrolle über die Krim zu behaupten sei für Russland möglicherweise noch wichtiger als die georgischen Gebiete. "Russische Nationalisten betrachten dies praktisch als russisches Territorium. Die Chancen, dass russische Truppen jemals von dort abziehen, wo sie sind, sind sehr gering."
Die langfristigen Auswirkungen eines russischen Verbleibs auf der Krim sind unklar, zumal der Rest der Ukraine nun zunächst die weiteren Schritte für die Zukunft des Landes ausarbeiten muss. Doch Heather Conley, Europa-Expertin am Zentrum für strategische und internationale Studien in Washington, sagt, es wäre für die USA und Europa gefährlich, Putin zu erlauben, Gewinne auf der Krim als Gelegenheit zu sehen, auch anderswo in der Region einzufallen. "Dann fängt es an auszusehen wie Appeasement. Wenn man glaubt, dass noch mehr bevorsteht, muss man jetzt Stellung beziehen."