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Zu wenig Schwimmunterricht?

Die dunkle Seite des Super-Sommers

  • Veröffentlicht: 15.08.2018
  • 22:40 Uhr
  • dpa
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Während der Hitzewelle gab es beinahe täglich tödliche Badeunfälle. Wird Deutschland ein Land der Nichtschwimmer?

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Es ist die dunkle Seite des Super-Sommers: Seit Jahresbeginn kamen schon mehr als 300 Menschen beim Baden ums Leben. Zu den Todesopfern zählten mehr als 20 Kinder unter 15 Jahren und über 40 junge Frauen und Männer zwischen 16 und 25 Jahren. Wird Deutschland ein Land der Nichtschwimmer?

Die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) beklagt schon seit längerem Bäderschließungen, fehlenden Schwimmunterricht an Grundschulen sowie mangelndes Engagement der Eltern, ihren Nachwuchs bis zum Schwimmabzeichen Bronze zu bringen. Flüchtlinge stellen laut DLRG eine besondere Risikogruppe dar, denn in vielen Herkunftsländern gehört das Schwimmenlernen nicht zum Aufwachsen dazu.

"Schwimmen ist Alltagsleben"

Im Fössebad in Hannover trainieren sieben junge Männer aus Afghanistan, dem Irak, Sudan und der Elfenbeinküste die Brusttechnik - erst mit Schwimmkissen, die mit Seehunden und Seepferdchen bedruckt sind, danach mit orangefarbenen Schwimmnudeln. Die meisten von ihnen machen eine Ausbildung. Warum verbringen sie ihren Feierabend im Hallenbad? "Es ist wichtig für mich, schwimmen zu lernen", betont Hassan aus dem Sudan. "Schwimmen ist Alltagsleben in Deutschland." Noch lehnt der 23-jährige angehende Altenpfleger es ab, wenn Freunde ihn zu einem Nachmittag am See einladen. Aber nach dem Kurs will er es wagen. Seit drei Jahren lebt Hassan in Hannover, in seiner trockenen Heimat habe man höchstens nach dem Regen mal in einer Art Pfütze baden können, erzählt der Sudanese.

Hassans Trainerin Sandra Rother gibt seit zehn Jahren Schwimmkurse - die meisten für Kinder, aber auch für Frauen. "Erwachsene machen sich oft zu viele Gedanken. Das beste Alter, um schwimmen zu lernen, ist ungefähr fünf Jahre", sagt die 48-Jährige, die den Kurs gemeinsam mit ihrer 22-jährigen Tochter Diandra leitet. In den Kinderkursen beobachtet Sandra Rother zunehmend motorische Schwierigkeiten - die Kleinen erzählen sich untereinander auch mehr von den neuesten Tablets und Smartphones als vom Klettern auf Bäume. "Die Eltern geben gerne die Verantwortung ab", meint sie. "Viele Kinder waren vor dem Kurs noch nie in einem Schwimmbad." Sie befürchtet, dass die Situation sich weiter verschlechtert. "Heute können auch viele Eltern nicht richtig schwimmen und vermitteln die Angst vor dem Wasser."

"Politik muss ihre Aufgaben wahrnehmen"

Rund ein Viertel aller Grundschulen in Deutschland hat keinen Zugang mehr zu einem Schwimmbad. Der Bundeselternrat plädiert für eine länderübergreifende Initiative für mehr Schwimmunterricht.
"Die Politik muss ihre Aufgaben wahrnehmen und für die entsprechenden Rahmenbedingungen sorgen. Hierzu gehören ausgebildete Lehrkräfte ebenso wie entsprechende Lehrschwimmbecken", sagt der Verbandsvorsitzende Stephan Wassmuth.

Für Eltern ist es oft nervenaufreibend, überhaupt einen Schwimmkurs für ihr Kind zu finden. Bei Angeboten von Vereinen gibt es häufig Wartelisten - zuweilen dauert es zwei Jahre, bis ein Platz frei wird. Darüber hinaus sind gerade private Schwimmschulen oft teuer. Die Kurse für Asylbewerber im Fössebad werden vom Unterstützerkreis Flüchtlingsunterkünfte Hannover über Spenden finanziert. Zudem gibt es einen Zuschuss des Landessportbundes Niedersachsen.

Engagement gefragt

"Eine systematische Förderung gibt es leider nicht", sagt Axel Dietrich, Bildungsreferent beim Deutschen Schwimm-Verband (DSV) mit Blick auf ganz Deutschland. In einigen Bundesländern unterstützen Krankenkassen Eltern oder Anbieter beim Schwimmunterricht. Auch Stiftungen und Betriebe engagieren sich, manchmal sogar der Staat.

Gefährlich sei der Trend zu großen Multifunktionsbädern anstelle der kleinen, wohnortnahen Bäder, meint Dietrich. Hier seien die Kommunen und Länder gefragt. Hessen zum Beispiel habe ein Programm zur Bädermodernisierung aufgelegt, berichtet der Experte. Der DSV unterstützt vielerorts den Schwimmunterricht an Schulen, etwa bei Ganztagsangeboten.

Leichtsinn, Risikobereitschaft

Dass in den ersten sieben Monaten dieses Jahres bereits mehr als 280 Menschen bei Badeunfällen ums Leben kamen, hat nach Expertenmeinung allerdings auch viele andere Ursachen und ist kein Ausdruck der wachsenden Zahl von Nichtschwimmern. Zum einen haben bei den anhaltend hohen Temperaturen seit dem Frühjahr weit mehr Menschen in Seen, Flüssen und Kanälen gebadet als im vergangenen Jahr. Leichtsinn, Risikobereitschaft und Selbstüberschätzung an unbewachten Gewässern sind laut DLRG die häufigsten Gründe für Badeunfälle.

DSV-Bildungsreferent Dietrich glaubt, dass es mit dem Vermitteln der Schwimmtechnik nicht getan ist. "Vielen fehlen die notwendigen Kenntnisse über das eigene richtige Verhalten im Wasser", sagt er. So seien Menschen in diesem Sommer ertrunken, weil sie nichts über die Wassertemperaturen und Strömungen in dem jeweiligen Gewässer wussten oder weil sie mit einem plötzlichen Krampf im Bein mitten im See nicht umgehen konnten.

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