Ukraine ist hilflos
Krim faktisch in russischer Hand
- Veröffentlicht: 03.03.2014
- 19:45 Uhr
- cwe, AP
Die Ukraine ist auf der Krim de facto entmachtet: Trotz aller internationalen Drohungen setzte Russland seine Truppenbewegungen fort und übernahm nach ukrainischen Angaben "praktisch alle" Militäreinrichtungen auf der Halbinsel. Der russische Außenminister Sergej Lawrow rechtfertigte die Aktion als notwendige Schutzmaßnahme für die Menschenrechte. Russland dringt zudem auf eine Rückkehr des abgesetzten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch an die Macht. Die Ukraine räumte ein, derzeit keine militärische Option zu haben.
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Pro-russische Truppen halten derzeit alle ukrainischen Grenzposten und ein wichtiges Bootsterminal auf der Krim. Russisch sprechende Bewaffnete besetzten einen Fähranleger im äußersten Osten der Krim. Ihre Fahrzeuge trugen russische Nummernschilder, doch auf Fragen zu ihrer Herkunft gaben sie keine Antwort. Mit der Übernahme des Anlegers könnte Russland nun weitere Truppenverlegungen auf die Krim einleiten. Die russische Küste ist auf dem Seeweg lediglich gut 20 Kilometer entfernt.
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Damit übernahm Russland auf der Krim die Kontrolle, ohne bislang auch nur einen Schuss abgegeben zu haben. Nun herrscht in Kiew die Furcht, Russland könnte auch andere Teile der östlichen Ukraine unter seine Herrschaft bringen. Am Wochenende hatte Russland seine Truppenpräsenz auf der Krim verstärkt. Vermutlich seien mehr als 6000 russische Soldaten in der Region, hieß es aus Regierungskreisen in Washington.
Lawrow: Schutz russischer Staatsbürger
Lawrow sagte bei der Eröffnung der 25. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates in Genf, bei der Entsendung von Soldaten in die Ukraine gehe es um den Schutz russischer Staatsbürger. Die Truppenverlegungen in die Ukraine seien "bis zur Normalisierung der Lage" notwendig, erklärte er. Allerdings gab es seit Ausbruch der Unruhen vor rund vier Monaten keine Berichte von Feindseligkeiten gegenüber der russisch-sprachigen Bevölkerung in der Ukraine.
Lawrow rief die Regierung in Kiew auf, das Abkommen mit Janukowitsch über die Bildung einer Einheitsregierung zu würdigen. "Anstatt der versprochenen Regierung der nationalen Einheit wurde eine 'Regierung der Siegreichen' gegründet", sagte Lawrow. Die bisherige Opposition habe nichts getan, um die Übereinkunft vom 21. Februar zu respektieren.
Die ukrainischen Konfliktparteien hatten das Abkommen unter Vermittlung der EU und Russlands unterzeichnet, um die Gewalt im Land zu beenden. Bereits am Tag nach der Unterzeichnung hatten sich aber die Ereignisse überschlagen. Janukowitsch, der unter der Übereinkunft eigentlich Präsident geblieben wäre, wurde abgesetzt und floh aus dem Land. Die bisherige Opposition stellt mittlerweile die Regierung.
Kiew gibt Krim nicht auf
Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk sagte, trotz der Präsenz des russischen Militärs bleibe die Krim ukrainisches Gebiet. "Jeder Versuch Russlands, die Krim zu ergreifen, wird keinen Erfolg haben. Gebt uns ein wenig Zeit" sagte er. Derzeit gebe es keine militärischen Optionen. Man benötige zunächst vor allem politische und wirtschaftliche Unterstützung vom Westen und gehe davon aus, dass die westlichen Partner diese Unterstützung gewähren würden.
US-Außenminister John Kerry forderte den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf, die Truppen aus der Ukraine zurückzuziehen. Kerry wird am Dienstag in Kiew erwartet. Der britische Außenminister William Hague sagte, es sei dringend, dass die Ukraine und Russland in direkte Gespräche einträten. Jedenfalls müsse Russland einen enormen Preis für die Übernahme der Kontrolle auf der Krim bezahlen. Er schlug Wirtschaftssanktionen vor. Militärische Aktionen schloss er aus.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon schlug zur Bewältigung der Krise die Bildung einer Kontaktgruppe vor. Diese könnte unter der Leitung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa stehen, sagte er. Derweil erwägt die Europäische Union die Einberufung eines Sondergipfels zur Lage in der Ukraine.
Ein Krisentreffen der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten könne schon am Donnerstag stattfinden, sagte Spaniens Außenminister José Manuel García-Margallo bei Beratungen mit seinen EU-Kollegen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier bezeichnete die Situation als Europas dramatischste Krise seit dem Ende des Kalten Krieges.
"Russen verhalten sich sehr aggressiv"
Der Sprecher der Grenztruppen, Sergej Astachow, sagte, die Russen würden fordern, dass die ukrainischen Soldaten und Wärter nun der pro-russischen örtlichen Regierung der Krim dienen sollten. "Die Russen verhalten sich sehr aggressiv. Sie durchbrachen die Türen, schlugen Fensterscheiben ein, zerstörten die Kommunikationswege."
Die Ukraine kämpft auch an der Finanzfront. Der Internationale Währungsfonds erklärte, ab Dienstag werde eine Gesandtschaft die Ukraine für zehn Tage besuchen. Die Ukraine hatte erklärt, sie benötige 35 Milliarden Dollar, um die nächsten zwei Jahre zahlungsfähig zu bleiben.