Zinsflaute in Europa
Licht und Schatten der EZB-Geldpolitik
- Veröffentlicht: 07.03.2019
- 22:33 Uhr
- dpa
Geld im Euroraum ist historisch billig. Dennoch ist die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank nicht unumstritten - sie hat auch Schattenseiten.
Vor drei Jahren hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen im Euroraum quasi abgeschafft. Seitdem liegt der Leitzins auf dem historischen Tief von null Prozent. Mit ihrer ultralockeren Geldpolitik wollen die Währungshüter die Konjunktur ankurbeln und die zeitweise gefährlich niedrige Inflation anschieben - Folgen der weltweiten Finanzkrise und der anschließenden Euro-Schuldenkrise. Ein rasches Ende der Zinsflaute ist vorerst nicht in Sicht. Wer profitiert von dem billigen Geld, wer leidet darunter?
SPARER: Sparbuch, Tagesgeld und Co. werfen in der Zinsflaute kaum noch etwas ab. Mit steigenden Zinsen können Sparer erst im kommenden Jahr rechnen. Die EZB will ihre Niedrigzinspolitik bis mindestens über das Jahresende 2019 hinaus fortführen. Solange die Teuerungsrate nahe der Nulllinie dümpelte, glich sich das in etwa aus. Bei wieder steigenden Verbraucherpreisen verlieren Sparer unter dem Strich aber Geld. Allerdings hatte es auch zu Zeiten der D-Mark Phasen gegeben, in denen die Inflation höher war als die Zinsen.
BANKEN: Sparkassen und Banken macht das Zinstief zu schaffen. Lange verdienten Geldhäuser gut daran, dass sie mehr Zinsen für Kredite kassierten, als sie Sparkunden für Guthaben zahlten. Doch die Differenz aus beidem, der Zinsüberschuss, schrumpft. Der Zinsüberschuss ist eine wichtige Ertragsquelle der Geldhäuser. "Es wird deshalb Zeit, dass auch in Europa endlich die Zinswende eingeläutet wird – wenn auch nur in kleinen Schritten", forderte jüngst der Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen, Gerhard Grandke.
Finanzinstitute müssen zudem 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Das soll die Institute animieren, das Geld lieber in Form von Krediten an ihre Kunden weiterzureichen.
BANKKUNDEN: Einige Kreditinstitute drehen in der Zinsflaute an der Gebührenschraube. Manche reichen die Strafzinsen teilweise an Privat- und Geschäftskunden weiter. Mindestens 13 meist kleinere Geldhäuser verlangen von Sparern nach einer Auswertung des Vergleichsportals Verivox bei größeren Beträgen auf dem Tagesgeldkonto Negativzinsen. Bei einigen wird ein Strafzins bereits ab 100 000 Euro Einlage fällig, bei anderen erst ab einer Million. "Negativzinsen für Privatkunden sind aber die absolute Ausnahme", sagt Verivox-Experte Oliver Maier. Seit 2017 stagniere die Zahl der Institute, die diese erheben würden, weitgehend. Ausgewertet wurden die Daten von 800 Geldhäusern. Auch das Vergleichsportal Check 24 sieht keinen Trend, "der bald auch Kleinanleger in größerem Ausmaß betrifft".
LEBENSVERSICHERUNGSKUNDEN: Die Assekuranzen können die hohen Zinsversprechen von bis zu 4 Prozent aus früheren Zeiten kaum noch erwirtschaften. Die Verzinsung des beliebten Altersvorsorgeklassikers sinkt daher seit geraumer Zeit. Der zuletzt vom Bundesfinanzministerium festgelegte Garantiezins liegt für Neuverträge nur noch bei 0,9 Prozent. Hinzu kommt die Überschussbeteiligung, über deren Höhe die Versicherer je nach Wirtschaftslage und Erfolg ihrer Anlagestrategie jedes Jahr neu entscheiden. Zusammen ergibt das die laufende Verzinsung. Immerhin ist die Talfahrt der laufenden Verzinsung in diesem Jahr nach Berechnungen der Ratingagentur Assekurata vorerst beendet.
KREDITNEHMER: Zwar geben Banken den Leitzins von null Prozent nicht 1:1 an Kunden weiter. Dennoch profitieren Bauherren, Verbraucher und Firmen von den Niedrigzinsen, wenn sie sich bei den Instituten Geld leihen. Nach Berechnungen der unabhängigen FMH-Finanzberatung sank beispielsweise der Effektivzins für Baugeld mit zehnjähriger Laufzeit von im Schnitt 4,77 Prozent Anfang März 2008 auf 1,21 Prozent Anfang März 2019.
FISKUS: Wegen der niedrigen Zinsen kann sich der Staat günstiger verschulden. Nach Berechnungen der Bundesbank beläuft sich die Ersparnis seit Ausbruch der Finanzkrise 2008 für Deutschland auf insgesamt 368 Milliarden Euro. Die Eurozone insgesamt hat demnach 1,42 Billionen Euro an Zinsen gespart. Die Bundesbank verglich das jeweilige Zinsniveau der Euroländer des Jahres 2007 mit dem jeweiligen Niveau in den Jahren bis 2018.