Misstrauensvotum in Spanien
Rajoy steht vor dem Aus
- Veröffentlicht: 01.06.2018
- 06:54 Uhr
- dpa
Korruptionsvorwürfe gegen die spanische Regierungspartei PP sind nicht neu. Jetzt aber wird ein Skandal Ministerpräsident Mariano Rajoy vermutlich das Amt kosten. Freiwillig will er nicht gehen - obwohl er beim Parlamentsvotum kaum noch eine Chance hat.
Das spanische Parlament stimmt am Freitag in einem möglicherweise historischen Votum über die politische Zukunft von Ministerpräsident Mariano Rajoy ab. Verliert er, wäre er der erste spanische Regierungschef, der durch ein Misstrauensvotum gestürzt wird. Schon vor der Abstimmung schien klar, dass der 63-Jährige aller Voraussicht nach abgewählt wird: Die Sozialisten (PSOE), die den Antrag eingebracht haben, hatten am Donnerstag die erforderliche absolute Mehrheit von 176 Stimmen des 350-köpfigen spanischen Parlaments hinter sich gebracht. Damit wäre der Weg für Sozialistenchef Pedro Sánchez frei, die Nachfolge Rajoys anzutreten.
Gerüchte um einen möglichen Rücktritt Rajoys vor dem Votum wies die Generalsekretärin seiner konservativen Volkspartei PP am frühen Donnerstagabend zurück. «Das wäre weder im allgemeinen Interesse Spaniens noch im Interesse der PP, die in diesem Fall Hand in Hand gehen», sagte María Dolores de Cospedal. Allerdings steht die PP nun völlig allein da: Selbst ihre bisherigen Verbündeten, die liberalen Ciudadanos, hatten Rajoy zum Rücktritt und der Ausrufung von Neuwahlen aufgefordert.
Zwar will Ciudadanos (Bürger) die Sozialisten nicht unterstützen, aber Sánchez kommt auch so auf eine Mehrheit: Außer den 84 Abgeordneten der PSOE wollen auch das linke Bündnis Unidos Podemos, das über 67 Sitze verfügt, und mehrere Regionalparteien - unter anderem auch aus der Krisenregion Katalonien - sowie die baskische PNV gegen den Regierungschef votieren.
Der vierte Misstrauensantrag
Die Sozialisten hatten den konstruktiven Misstrauensantrag als Reaktion auf die Gerichtsurteile in der Korruptionsaffäre um Rajoys PP eingebracht. Der nationale Strafgerichtshof hatte die Partei in der vergangenen Woche wegen Verwicklung in den Skandal zu einer Geldstrafe von 245 000 Euro verurteilt. Mehrere frühere Parteimitglieder erhielten teils langjährige Haftstrafen.
Es ist erst der vierte Misstrauensantrag in Spanien seit dem Ende der Franco-Diktatur im Jahr 1975. Die drei vorangegangenen Anträge waren gescheitert - so zuletzt im Juni 2017 Unidos Podemos mit einem Antrag gegen Rajoy. Der Chef der Linksallianz, Pablo Iglesias, hatte zuletzt angekündigt, selbst einen weiteren Misstrauensantrag gegen Rajoy einbringen zu wollen, wenn die Sozialisten scheitern sollten.
Gewinnt Sánchez am Freitag, wäre er automatisch der neue Regierungschef. Er hat aber schon angekündigt, zu einem späteren Zeitpunkt eine Neuwahl ansetzen zu wollen. Damit könnte sich die Geschichte wiederholen: Sowohl die Parlamentswahl 2015 als auch eine Neuwahl 2016 hatten keine klaren Mehrheitsverhältnisse gebracht. Eine Regierungsbildung wurde erst nach langwierigen Verhandlungen möglich.