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Erasmus-Programm

Schweizer Studenten müssen jetzt zu Hause bleiben

  • Veröffentlicht: 07.03.2014
  • 12:45 Uhr
  • Elisalex Henckel
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© DPA

Seit dem Schweizer Votum für Zuwanderungsbeschränkungen ist noch nicht einmal ein Monat vergangen, doch anders als Gegner wie auch Befürworter erwartet haben, hat die Entscheidung bereits ganz konkrete Auswirkungen. Seit der Ankündigung der Regierung in Bern, ein vereinbartes Abkommen zur Öffnung des Schweizer Arbeitsmarkts für Kroaten zu stoppen, wackeln gleich mehrere geplante oder bestehende Verträge mit der EU – dazu zählen sehr spezifische wie eines zur Integration in den Energiebinnenmarkt, aber auch ein Rahmenabkommen, das Fragen der Rechtsübernahme oder der Streitschlichtung regeln soll.

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Am deutlichsten spüren derzeit aber wohl die Studenten die Konsequenzen des Votums vom 9. Februar. Die EU hat Verhandlungen über eine Beteiligung der Schweiz an dem Forschungsprogramm Horizon 2020 sowie dem Austauschprogramm Erasmus Plus ausgesetzt, solange Bern die Personenfreizügigkeit nicht wie geplant auf das Neumitglied Kroatien ausweitet. Die Schweiz wurde auf den Status eines Drittlandes zurückgestuft.

Vereinbarungen mit europäischen Partnerinstitutionen können zwar fortgesetzt werden, der Austausch wird aber nicht mehr über das EU-Programm finanziert. Das gefährdet allein im kommenden Studienjahr die Auslandspläne von etwa 7000 Schweizern auf allen Bildungsstufen sowie von noch einmal so vielen jungen Leuten, die aus dem Ausland in die Schweiz hätten kommen sollen.

Internationaler Austausch gefährdet

Entsprechend groß ist die Bestürzung bei den Studenten. Der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) schrieb in einer Aussendung, er sei "schockiert" über die Entscheidung der EU. Sie bedeute "den vorläufigen Tod für die internationale Dimension der Schweizer Hochschullandschaft".

Der VSS könne jedoch nicht tolerieren, dass "Bildung und Forschung auf dem Altar der politischen Verhandlungen geopfert werden", deshalb fordere er die Entscheidungsträger der Schweiz und Europas auf, alles zu unternehmen, um den offenen europäischen Hochschulraum nicht zu schädigen.

Christoph Blocher, dessen Schweizerische Volkspartei (SVP) die Initiative "Gegen Masseneinwanderung" lanciert hat, will die Aufregung hingegen nicht verstehen. "Können Sie mir den Namen eines Studenten nennen, der in den nächsten zwei Jahren nicht an einer Hochschule im Ausland studieren kann? Ich kenne keinen", sagte der SVP-Vordenker am Dienstag einem Westschweizer Radiosender in holprigem Französisch. "Ich sage immer, schreib mir, ich werde schauen, warum Sie nicht studieren können. Ich will helfen."

Es war nur eine kurze Bemerkung am Rande der Vorstellung des jüngsten außenpolitischen Berichts der Regierung, doch ein Jungsozialist aus dem Kanton Waadt nahm Blocher beim Wort.

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Briefflut an SVP-Politiker Blocher

Julien Rilliet, Sprecher der Waadter Jusos, rief betroffene Studenten dazu auf, ihre Sorgen in persönlichen Schreiben an Blocher zu schildern, und stellte unter www.helpline-blocher.org eine Webseite online, über die er die Briefe veröffentlichte und an Blocher weiterleitete. "Fordern wir seine Unterstützung bei Erasmus", heißt es auf der Seite, "zeigen wir ihm, dass wir nicht Einzelfälle sind." Bis Donnerstagnachmittag veröffentlichte Rilliet fast 200 Briefe.

Die französischsprachige Westschweiz steht der SVP und ihrem Übervater traditionell ablehnender gegenüber als die Deutschschweiz. Seit Blocher die Ablehnung seiner Einwanderungsinitiative in allen Westschweizer Kantonen darauf zurückgeführt hat, dass "die Welschen schon immer ein schwächeres Bewusstsein für die Schweiz" gehabt hätten, dürfte die Zustimmung zu ihm kaum gewachsen sein. Die Schreiben der Studenten sind jedoch in der Regel sehr höflich formuliert.

Das erste stammt von einer Studentin namens Jeanne. "Guten Abend, Herr Blocher", schreibt sie. "Mein Erasmus in England wurde abgesagt, obwohl ich für den Herbst bereits alles vorbereitet hatte, meine Flugtickets, meine Wohnung. Können Sie mir helfen?" "Vielen Dank für Ihre Unterstützung", schreibt ein Student namens Jason, "endlich ein konkreter Vorschlag. Ich lasse Ihnen dann die Rechnung für meinen Aufenthalt in Großbritannien direkt zukommen. Sie sind ein großzügiger und guter Mensch."

Ein dritter Student wendet sich auch in Sachen Horizon 2020 an Blocher: "Ich bin Medizinstudent und will ein PhD in einem aus EU-Mitteln finanzierten Labor machen. Sollte es zu einem finanziellen Engpass kommen, könnten Sie es finanzieren? Viele Grüße, Etienne."

Blocher: Habe nie Geld angeboten

Christoph Blocher will "diese oberflächlichen Massensendungen" nicht beantworten, wie er die "Neue Zürcher Zeitung" wissen ließ. Finanzielle Unterstützung habe er nie angeboten, sagte er dem Blatt, sondern Hilfestellung, wenn ein konkreter Antrag auf Erasmus-Unterstützung in der Folge des 9. Februars abgelehnt werde. Dann müsse man sehen, ob ein anderes Programm gelte. "Bisher haben sich zwei konkrete Fälle gemeldet, die man überprüfen muss."

Seine Partei hat unterdessen darauf hingewiesen, dass das Erasmus-Programm schon vor der Abstimmung über die Einwanderungsbeschränkungen auf der Kippe gestanden habe, weil die EU vor Abschluss der Verhandlungen mehr Geld gefordert habe. Es sei davon auszugehen, dass die Reaktion aus Brüssel nicht oder nur bedingt mit der Abstimmung zusammenhänge, hieß es seitens der SVP.

Der zuständige Minister Johann Schneider-Ammann (FDP) bestätigte gegenüber dem Schweizer Fernsehen, dass die EU "mehr Mittel als das Parlament beschlossen hat" erwartet habe. Das habe aber im Gegensatz zur Abstimmung über die Zuwanderungsinitiative keineswegs zum Abbruch der Verhandlungen geführt: "Für mein Verständnis wäre das Abkommen 'Erasmus Plus' so wie vom Parlament beschlossen vereinbart worden - mit der Aussage, in der weiteren Phase 2017-2020 über zusätzliche Mittel zu sprechen."

Damit die Austauschprogramme auch im nächsten Studienjahr stattfinden können, muss die Regierung in den nächsten Wochen eine Übergangslösung finden. Laut "Tagesanzeiger" könnte sie dafür das bereits vom Parlament für Erasmus Plus bewilligte Geld verwenden. Damit das Austauschsystem nicht zusammenbricht, müsste sie sowohl für einheimische als auch für ausländische Studenten Stipendien finanzieren.

Schneider-Ammann habe in Bildungskreisen bereits seine Bereitschaft dazu signalisiert, schreibt der "Tagesanzeiger". Eine offizielle Entscheidung steht aber noch aus. Bis dahin wird sich die Inbox von Christoph Blocher vermutlich weiter füllen.

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