Straßburg plädiert für unabhängige Gerichte
TTIP: Annäherung im Streit um Schiedsgerichte
- Veröffentlicht: 08.07.2015
- 17:44 Uhr
- dpa
EU-Parlamentarier wollen unabhängige statt private Schiedsgerichte beim transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP.
Nach einem gescheiterten ersten Anlauf hat das EU-Parlament seine Verhandlungsposition zum umstrittenen Freihandelsabkommen mit den USA festgelegt und einen Kompromiss beim Streitpunkt Schiedsgerichte erzielt. Die von Linken als undemokratisch kritisierten privaten Schiedsgerichte sollen durch ein neues System ersetzt werden, heißt es in dem Text, den das Parlament am Mittwoch mit 436 Ja- gegen 241 Nein-Stimmen verabschiedete. Stattdessen sollen unabhängige Gerichte über derartige Fälle entscheiden. Damit will Straßburg eine befürchtete Benachteiligung europäischer Unternehmen bei Klagen gegen Staaten verhindern.
Industrie begrüßt EU-Vorschlag
"Wir haben erreicht, dass sich das Europäische Parlament für ein demokratisches, transparentes System ausgesprochen hat. Aus Schiedsstellen, die zum Missbrauch einladen, haben wir unabhängige Gerichte gemacht", sagte der Berichterstatter, Bernd Lange (SPD). Nach Einschätzung des Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Ulrich Grillo, macht diese Entschließung den Weg frei "für echte Chancen und klare Regeln im transatlantischen Handel". DIHK-Präsident Eric Schweitzer betonte nach der Debatte über das Freihandelsabkommen TTIP: "Die Parlamentarier haben auch deutlich gemacht, dass TTIP mittelstandsfreundlich gestaltet werden muss."
An dem Streit um die Schiedsgerichte waren Debatte und Abstimmung im Juni gescheitert. Um den Parlamentariern mehr Zeit für einen Kompromiss zu geben, hatte Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) deshalb die Aussprache und das Votum verschoben.
Weiterhin Kritik an mangelnder Transparenz
Bei der Debatte warb EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström für das Abkommen und lobte die Beratungen zwischen der EU und den US-Partnern als außerordentlich transparent. Doch viele Abgeordnete bleiben skeptisch, da aus ihrer Sicht die Diskussionen hinter verschlossenen Türen geführt werden. Sie vermissen eine breitangelegte öffentliche Debatte.
Die Regierungen in den EU-Mitgliedstaaten wie die Wirtschaft halten das Freihandelsabkommen für eine große Chance für mehr Wachstum und Arbeitsplätze. Handelshemmnisse sollen wegfallen. Dabei geht es weniger um Zölle als um Produktionsnormen und Qualitätsstandards für einen Wirtschaftsraum mit rund 800 Millionen Verbrauchern. Es geht auch um Standards bei Lebensmitteln, um die kulturelle Vielfalt und um Arbeitnehmerrechte.
Kommission muss Votum berücksichtigen
Das Votum des Parlaments ist zwar nicht bindend, zeigt jedoch die politischen Prioritäten der Volksvertreter an. Die EU-Kommission und die Regierungen können diese Stellungnahme kaum ignorieren, denn am Schluss der Verhandlungen ist die Zustimmung des Parlaments erforderlich, um das Abkommen endgültig zu verabschieden. Es kann aber nur dafür oder dagegen sein. Einzelne Punkte können dann nicht mehr geändert werden.
Die EU verhandelt bereits seit Juni 2013 mit den USA über TTIP. Wann die Diskussionen abgeschlossen werden können, ist unklar. Ursprünglich sollte ein Rahmen für das Abkommen bereits Ende dieses Jahres stehen. Dieser Termin gilt als nicht mehr haltbar.