Experten halten Stromnetz für gewappnet
Kommunen warnen vor Stromausfällen - Scholz gelassen
- Veröffentlicht: 11.09.2022
- 20:28 Uhr
- dpa
Kommunen warnen wegen der Energiekrise vor Stromausfällen im Winter. Heizlüfter könnten das Netz kollabieren lassen. Sie raten, sich einen Lebensmittelvorrat anzulegen.
Das Wichtigste in Kürze:
- Die Kommunen in Deutschland warnen wegen der Energiekrise vor Stromausfällen.
- Der Chef des Städte- und Gemeindebunds rät sogar, einen Wasser- und Lebensmittelvorrat anzulegen.
- Experten halten das für Panikmache, Kanzler Scholz sieht das Land gewappnet.
Wegen der Energiekrise könnte es in Deutschland zu Stromausfällen kommen. Davor warnt der Deutsche Städte- und Gemeindebund. "Die Gefahr eines Blackouts ist gegeben", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Welt am Sonntag" und mahnte: Man müsse sich besser auf echte Krisensituationen vorbereiten.
Kanzler Olaf Scholz hingegen äußerte sich gelassen: "Wir kommen da durch." Menschen in Deutschland spürten, dass sie in einer ernsten Zeit lebten. "Wir haben uns aber vorbereitet", versicherte der SPD-Politiker in seiner wöchentlichen Videobotschaft. "Wir werden uns als Land unterhaken, weil wir ein solidarisches Land sind."
Stromausfälle: Experten widersprechen Kommunen
Experten halten das deutsche Stromnetz allerdings für gut gewappnet. "Die Angst ist zu einem großen Teil Panikmache", sagte Energieexperte Christoph Maurer vom Beratungsunternehmen Consentec dem Fernsehsender n-tv. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, sagte der "Rheinischen Post": "Wir sollten jetzt nicht mit Panik reagieren, sondern mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung." Die Städte wollten 20 Prozent Gas einsparen. Wenn alle gemeinsam dieses Ziel verfolgten, sehe er eine gute Chance, ohne Blackout durch den Winter zu kommen. Zugleich müsse aber auch Vorsorge betrieben werden; Notstrom-Reserven seien notwendig. "Da tragen im Katastrophenschutz Länder und Kommunen gemeinsam Verantwortung", sagte Dedy.
Ein Stromnetz-Stresstest der Bundesregierung kam kürzlich zu dem Ergebnis, "dass stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem im Winter 22/23 zwar sehr unwahrscheinlich sind, aktuell aber nicht vollständig ausgeschlossen werden können". Dabei ging es um ein Extrem-Szenario, in dem wegen Gasmangels ein Viertel bis die Hälfte der Gaskraftwerke in Süddeutschland ausfallen, zugleich anhaltendes Niedrigwasser den Nachschub für Kohlekraftwerke ausbremst, französische Atomkraftwerke weiter außer Betrieb sind und viele Heizlüfter gleichzeitig genutzt werden.
Landsberg fordert Bürger auf, Lebensmittel- uns Wasservorrat anzulegen
Landsberg warnte konkret vor der Gefahr einer "Überlastung des Stromnetzes - etwa wenn die 650.000 in diesem Jahr verkauften Heizlüfter ans Netz gehen, sollte die Gasversorgung ausfallen". Auch feindliche Hackerangriffe seien ein realistisches Szenario. "Wir können flächendeckende Stromausfälle nicht ausschließen", sagte er. Für diesen Fall sei Deutschland ungenügend gerüstet.
Er forderte die Bürger auf, die Empfehlungen des Bundes zum Katastrophenschutz ernst zu nehmen und Wasser sowie Lebensmittel im Haus zu haben. Bei einem großflächigen Stromausfall "läuft kein Wasser, man kann nicht tanken, nach zwei Tagen kann man sein Handy nicht mehr laden", beschrieb er. Auch der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, warnte vor massenhaftem Gebrauch von Heizlüftern. Sie zu nutzen sei selbst bei den hohen Gaspreisen teurer als Heizen mit Gas, sagte er dem "Tagesspiegel". Außerdem könne es Stromnetze lokal an ihre Grenzen bringen, wenn viele Menschen gleichzeitig Heizlüfter betrieben.
Söder: "Habeck und Ampel riskieren bewusst Blackout"
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder drängt vor diesem Hintergrund weiter auf einen längeren Betrieb der verbliebenen drei Kernkraftwerke. "Habeck und die Ampel riskieren bewusst einen Blackout", sagte der CSU-Chef der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Die Entscheidung, zwei der drei verbliebenen Kernkraftwerke nur in Reserve zu halten, sei "ideologisch getrieben und verantwortungslos".
Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte auf der Grundlage des Stresstests vorgeschlagen, die zwei süddeutschen Kraftwerke für den Fall von Engpässen noch bis Mitte April einsatzbereit zu halten: Isar 2 in Bayern und Neckarwestheim in Baden-Württemberg. Eigentlich sollten alle deutschen Atomkraftwerke zum Jahresende endgültig vom Netz gehen. Eine generelle Laufzeitverlängerung lehnte Habeck ab, was unter anderem für Streit mit der FDP sorgte.