Krisentreffen im Kanzleramt
Mit ihrem 14-Punkte-Plan für mehr Wohnraum empört die Ampel Umweltschützer
- Aktualisiert: 25.09.2023
- 22:20 Uhr
- Alicia Müller
Unzählige Wohnungen werden benötigt, viel zu wenige gebaut. Jetzt hat die Regierung Vorschläge gegen die Baukrise auf den Tisch gelegt.
Das Wichtigste in Kürze
Der am Montag (25. September) vorgestellte 14-Punkte-Plan der Ampelkoalition soll unter anderem Wohnraum erschwinglicher machen und den Hausbau vereinfachen.
Große Wirkung soll der Verzicht auf den im Koalitionsvertrag für 2025 vereinbarten Energiesparstandard EH40 für Neubauten haben.
Umweltverbände zeigen sich enttäuscht.
Mehr Unterstützung für Familien beim Kauf oder Bau der eigenen vier Wände, neue Steuervorteile bei Bauprojekten und die Abkehr von geplanten Energiestandards: Mit 14 Vorhaben will die Ampelkoalition erreichen, dass mehr gebaut wird. "In Deutschland müssen mehr bezahlbare Wohnungen gebaut werden", betonte Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag zum Krisentreffen der Regierung mit der Baubranche. Das Paket werde "viel verändern und viel möglich machen", versprach Bauministerin Klara Geywitz.
Bezahlbare Mieten und Hausbau
"Mehr Menschen werden sich mit unserer neuen Förderung ein Haus, ein bestehendes oder ein neues, kaufen können", sagte die SPD-Politikerin. "Indem wir Klimaschutz im Gebäudesektor ganzheitlicher denken, werden wir mehr CO2 einsparen, und indem wir den Bau neuer Wohnungen deutlich leichter machen, werden wir mittelfristig mehr Wohnungen und bezahlbare Mieten haben." Die Immobilien- und die Bauwirtschaft reagierten "vorsichtig optimistisch".
Große Wirkung soll unter anderem der Verzicht auf den im Koalitionsvertrag für 2025 vereinbarten Energiesparstandard EH40 für Neubauten haben. Geywitz hatte dies bereits in der Vergangenheit gefordert, nun ließ sich auch Klimaminister Robert Habeck (Grüne) darauf ein. Er erklärte: "Mit der Einführung des Gebäudeenergiegesetzes ist sichergestellt, dass Neubauten ab 2024 klimafreundlich heizen. Deshalb halte ich es nicht mehr für nötig, jetzt auf die Schnelle den neuen Standard EH40 einzuführen."
EH40 heißt: Ein Bedarf von 40 Prozent der Energie eines Vergleichsneubaus. Derzeit gilt der Standard EH55 für Neubauten. EH40 sollte den Energiebedarf für Heizen weiter senken und damit auch den Ausstoß von Klimagasen. Doch wird das Bauen damit aufwendiger und teurer.
Das käme zu einer Zeit ohnehin steigender Kosten wegen stark erhöhter Bauzinsen und teurer Baustoffe. Alles zusammen hat dazu geführt, das immer weniger neue Wohnbauprojekte gestartet werden. Zugleich sind bezahlbare Wohnungen in Metropolen immer schwerer zu finden.
Reform der Einkommensgrenze
Im 14-Punkte-Plan der Bundesregierung ist außerdem eine Reform der zuletzt nur zögerlich genutzten Eigentumsförderung für Familien vorgesehen. Die Einkommensgrenze einer Familie mit einem Kind soll von 60.000 auf 90.000 Euro erhöht werden, je weiterem Kind können 10.000 Euro hinzuverdient werden.
In den kommenden zwei Jahren werde der Bund zudem ein Programm für den Kauf sanierungsbedürftiger Häuser auflegen. Gleichzeitig ist geplant, dass der Umbau leerstehender Büros und Läden zu neuen Wohnungen unterstützt werden. Das Geld soll aus dem Klima- und Transformationsfonds, einem Sondertopf außerhalb des Bundeshaushalts kommen.
Bei Bauvorhaben soll es Steuervorteile durch besondere Abschreibungsregeln, die sogenannte Afa, geben. Der "Klimabonus", der Hauseigentümer beim Tausch alter, fossiler gegen neue, klimafreundliche Heizungen fördert, soll erhöht und auch auf Wohnungsunternehmen und Vermieter ausgeweitet werden.
Den Ländern soll eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer ermöglicht werden. Die angepeilte sogenannte Wohngemeinnützigkeit wird laut Plan im kommenden Jahr an den Start gehen. Dabei sollen Vermieter, die dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen, steuerlich begünstigt und gefördert werden.
Scholz bezeichnete zudem das serielle Bauen als Schlüsselinstrument. Damit könnten ohne aufwendige neue Verfahren einmal genehmigte Häuser auch in anderen Landkreisen gebaut werden. Dafür müssen Länder und Kommunen allerdings mitziehen.
Das Paket sei "umfangreicher als erwartet"
"Die Ampel hat die Tragweite der Situation wohl erkannt", teilte der Zentralverband des Baugewerbes mit. Der Immobilienverband ZIA äußerte sich ebenfalls positiv: "Ein neuer Realismus beim Klimaschutz und klare steuerliche Entlastungssignale zeigen: Die Gespräche der letzten Wochen haben sich gelohnt." Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie lobte das Paket als "umfangreicher als erwartet". Wichtig sei nun, dass auch ein attraktiveres Zinsverbilligungsprogramm geprüft werde.
Der Wohnungswirtschaftsverband GdW, der das Treffen im Kanzleramt boykottiert hatte, sah ebenfalls eine positive Entwicklung. Für sozial orientierte Wohnungsunternehmen sei aber leider nichts herausgekommen, hieß es. So könnten diese Unternehmen die neuen Abschreibungsmöglichkeiten gar nicht nutzen. Der Verband forderte unter anderem eine Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent für bezahlbaren Wohnungsbau und KfW-Darlehen zu einem verbilligten Zinssatz von einem Prozent. Dann könnten auch wieder bezahlbare Neubaumieten garantiert werden.
Umweltverbände zeigen sich enttäuscht
Der Chef der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Robert Feiger, kritisierte, das Maßnahmenpaket der Bundesregierung verharre im Klein-Klein. "Der große Schub zur Ankurbelung des Wohnungsbaus bleibt aus. Es hätte ruhig etwas mehr sein können." Das 14-Punkte-Paket nannte er einen "Gemischtwarenladen aus längst bekannten Maßnahmen, finanziell überschaubare Aufstockungen von einigen Förderprogrammen, etwas Deregulierung sowie Ankündigungen ohne große Substanz".
Enttäuscht zeigten sich vor allem Umweltverbände: "Das Maßnahmenpaket der Ampel zum Bauen und Wohnen ist keine Weichenstellung in eine sozial gerechtere und ökologischere Zukunft, sondern ein Fiasko", kritisierte die Geschäftsführerin beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Antje von Broock. Der Abschied vom Ökostandard sei völlig inakzeptabel. "Mit den Plänen der Ampel schlittern wir weiter der Klimakatastrophe entgegen, und immer mehr Menschen wissen nicht, wie sie ihre nächste Heizkostenrechnung bezahlen sollen."
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa