Pressekonferenz
Putins Geständnis zum Ukraine-Krieg:"Hätten früher damit beginnen sollen"
- Veröffentlicht: 20.12.2024
- 18:35 Uhr
- Oliwia Kowalak
Bei seiner Jahrespressekonferenz in Moskau hat Machthaber Russlands Wladimir Putin auf die Frage eines Zuschauers mit einem Geständnis zum Ukraine-Krieg reagiert.
Das Wichtigste in Kürze
In Moskau hat der russische Präsident Wladimir Putin eingeräumt, dass die Invasion in die Ukraine unvorbereitet geschah.
Putin lobte die Soldaten an der Front, da Russland mittlerweile erhebliche Gebietsgewinne verbuche.
Weiterhin äußerte er sich optimistisch zur wirtschaftlichen Lage Russlands – trotz hoher Inflation seien die Menschen wegen hoher Reallöhne finanziell gut gestellt.
Der Präsident der Russischen Föderation Wladimir Putin hat zu seiner alljährlichen Jahresend-Pressekonferenz in Moskau geladen. Am 19. Dezember stellte er sich kurz vor Weihnachten zu einer Fragerunde zur Verfügung. Bei dem Gespräch, das vom russischen Staatsfernsehen übertragen wurde, hat der Kreml-Chef auch zum Thema Ukraine-Krieg gesprochen, und gestanden, dass Russland sich bei der Invasion der Ukraine besser hätte vorbereiten sollen. Obwohl sich der russische Präsident überwiegend positiv zum Verlauf in der Ukraine äußerte, konnte die Frage eines Zuhörers dem Kreml-Boss ein kleines Geständnis entlocken.
Auf die Frage, was er anders machen würde, wenn er die Möglichkeit hätte, in den Februar 2022 zurückzugehen, antwortete Putin: „Wenn ich wüsste, was jetzt passiert, hätte ich im Jahr 2022 gedacht, dass die Entscheidung früher hätte getroffen werden müssen". Die Vorbereitungen für die Invasion haben seiner Ansicht nach zu spät begonnen: "Wir hätten schon früher damit beginnen sollen, uns auf diese Entwicklungen und die spezielle Militäroperation vorzubereiten", gab Putin zu.
Im Video: Jährliche Pressekonferenz von Wladimir Putin
Zudem zeigte sich Putin wenig offen für eine baldige Waffenruhe. "Wenn wir auch nur eine Woche aufhören, geben wir dem Gegner die Möglichkeit seine Positionen zu festigen, sich auszuruhen und weitere Waffen und Munition zu erhalten".
Gleichzeitig lobte er seine Soldaten an der Front: "Ich muss sagen, dass sich die Situation (an der Front) dramatisch verändert. Entlang der gesamten Frontlinie gibt es Bewegung. Jeden Tag". Alle kämpften buchstäblich "heldenhaft".
Massive Gebietsgewinne für Russland im Jahr 2024
In den vergangenen Wochen konnte das russische Militär erhebliche Gebietsgewinne verbuchen. Nach ausgewerteten Daten der amerikanischen Nichtregierungsorganisation ACLED wird der Krieg zunehmend auf Distanz geführt. Luft-, Raketen- und Artillerieangriffe sowohl von ukrainischer als auch von russischer Seite erhöhten sich, die Truppen am Boden haben im Zuge der verstärkten Angriffe deutlich an Tempo gewonnen.
Laut Abgaben des russischen Präsidenten seien in diesem Jahr 189 ukrainische Ortschaften eingenommen worden. Andrej Beloussow, russischer Verteidigungsminister, sprach von der Eroberung von 4.500 Quadratkilometer ukrainischen Territoriums für 2024 – etwa 30 Quadratkilometer würden täglich dazugewonnen. In den östlichen Gebieten Donezk, Saporischschja und Cherson hätte ukrainische Truppen noch Kontrolle über 25 bis 30 Prozent der Fläche, in Luhansk nur ein Prozent. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig prüfen, jedoch bestätigten Analysten, dass die Ukraine an der 1.000 Kilometer langen Frontlinie massiv unter Druck geraten ist. Wie der ukrainischen Telegramkanals UA War in einer Infografik zeigt, hätten die russischen Truppen eine Fläche von 2.800 Quadratkilometer erobert – das 20-fache des Vorjahresgewinns.
Moskau hält sich weiterhin bedeckt, was die Zahl der gefallenen Soldaten anbelangt. Ein "BBC-Bericht" geht bei seiner Zählung von 70.000 getöteten Soldaten aus – andere unabhängige Quellen schätzen 120.000 bis Mitte 2024. Laut dem Verteidigungsminister würden sich täglich 1.200 Freiwillige für den Kriegseinsatz melden: "Allein in diesem Jahr wurden bereits über 427.000 Soldaten rekrutiert", sagte Beloussow bei einer Versammlung von Offizieren und Vertretern der russischen Gesellschaft.
Wie der südkoreanische Geheimdienst und die USA schätzen, wurden mehr als 10.000 Soldaten aus Nordkorea nach Russland geschickt. In seiner Pressekonferenz hat der russische Machthaber den Einsatz der nordkoreanischen Truppen allerdings nicht erwähnt. Berichten der "Financial Times" zufolge würden auch die jemenitischen Huthi-Rebellen Söldner für Putin anwerben.
Sanktionen: Hält Putins Kriegswirtschaft durch?
Der Krieg in der Ukraine tobt nun schon seit über 1.000 Tagen und zerrt wegen der verhängten Sanktionen an der russischen Wirtschaft. Der Kreml-Boss gestand ein, dass sich die Inflation mit 9,3 Prozent auf einem hohen Niveau befinde. Gleichzeitig jedoch argumentierte Putin, dass auch die Reallöhne steigen würden. Im September 2024 stiegen diese im Jahresvergleich um 8,4 Prozent. Die Arbeitslosenquote lag im Oktober laut russischer Statistikbehörde auf einem Rekordtief von 2,3 Prozent, was der demografischen Entwicklung geschuldet ist.
Die massiv gestiegenen Investitionen in den Verteidigungssektor und der angespannte Arbeitsmarkt hätten zu dem starken Lohnanstieg geführt. Daher stehen viele Menschen finanziell besser da als Anfang 2022, wie Experten bekräftigen. Auf der anderen Seite hemmen der Arbeitskräftemangel und die westlichen Sanktionen die Wirtschaft, genauso wie die hohen Zinsen der Zentralbank. Für den Verteidigungshaushalt gibt Russland inzwischen 32,5 Prozent aus - 6,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Analysten sehen bei weiteren Sanktionen oder einem niedrigeren Ölpreis die russische Wirtschaft in Gefahr.
"In Russland ist die Situation normal, stabil, wir entwickeln uns trotz allem, trotz äußerer Bedrohungen und Beeinflussungsversuche", versicherte der Präsident Russlands zur wirtschaftlichen Lage im eigenen Land.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa
- Nachrichtenagentur Reuters
- bbc.com: "Volunteers dying as Russia’s war dead tops 70,000"