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23 Jahre nach seiner Bundestagsrede

Vom Partner zum Besatzer: Wie sich Putin nach seiner historischen Bundestagsrede veränderte

  • Veröffentlicht: 24.09.2024
  • 17:58 Uhr
  • Emre Bölükbasi
Seit seiner Rede im Bundestag 2001 haben sich Putins öffentlich geäußerte Ansichten über Deutschland und den Westen stark verändert.
Seit seiner Rede im Bundestag 2001 haben sich Putins öffentlich geäußerte Ansichten über Deutschland und den Westen stark verändert.© REUTERS

Vor 23 Jahren hielt Russlands Präsident Putin im Bundestag eine Rede, die in den höchsten Tönen gelobt wurde. Von dem vermeintlichen Europa-Partner aus dem Jahr 2001 ist aber heute nichts mehr übrig.

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Am 25. September 2001 erntete eine Rede im Bundestag immer wieder Beifall - und sorgte für ein wohlwollendes Lächeln auf den Gesichtern vieler Abgeordneter. Am Rednerpult stand ein 48-jähriger Präsident, der auf viele seiner Zuhörer:innen einen charmanten Eindruck machte und Hoffnungen auf eine friedliche Partnerschaft säte: Wladimir Putin, das damals noch frische Staatsoberhaupt Russlands.

23 Jahre später hat sich das Blatt gewendet. Das Parlament streitet sich immer wieder über "Putin-Versteher" - eine abwertende Bezeichnung für jene, die den einst lautstark applaudierten Mann heute nicht deutlich kritisieren. Der einstige Hoffnungsträger ist für viele nunmehr ein Kriegsverbrecher. Auch der Internationale Strafgerichtshof sah das so und erließ 2023 Haftbefehl gegen den Präsidenten.

Entsprechend hat sich auch der Ton Putins gegenüber Deutschland und dem Westen verändert. Zeigte er sich 2001 noch als kooperationswilliger Partner des Westens, zeichnet er heute nur noch das Bild einer Moskau gegenüber feindseligen Welt. Im Folgenden ein Rückblick auf das stark veränderte Weltbild Putins.

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Deutschland - vom besonderen Partner zum Staat, über den die "ganze Welt" lacht

"Russland hegte gegenüber Deutschland immer besondere Gefühle", sagte der damals noch junge russische Präsident vor den Abgeordneten des Bundestags. Deutschland verkörpere für seine Landsleute "oft Europa, die europäische Kultur, das technische Denkvermögen und kaufmännisches Geschick" - und werde von Moskau "als ein bedeutendes Zentrum der europäischen und der Weltkultur behandelt".

:newstime

23 Jahre später scheint nichts mehr von dieser Wahrnehmung Putins übrig zu sein. Nicht nur Russland, sondern die "ganze Welt" lache heutzutage über die deutsche Politik, sagte er im November 2023 bei einem Gespräch mit russischen Wissenschaftler:innen über Europa. "Einige hohe Regierungsbeamte scheinen keine ausreichende Berufsausbildung zu haben, um fachlich hochwertige Entscheidungen zu treffen", kritisierte er weiter. Das Land, das er einst in den höchsten Tönen lobte, sieht er heute als einen Staat, der "nicht souverän" ist.

Was sich allerdings nicht verändert hat, ist das Verhältnis zwischen Putin und dem Altkanzler Gerhard Schröder. Er gehöre zu seinen Freunden hierzulande und Deutschland müsse "stolz auf solche Menschen sein", sagte er bei einem Auftritt im Oktober 2023.

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Der einstige Unterstützer des "europäischen Hauses" wird angeblich zum verhassten Gegner

"Wir schlagen heute eine neue Seite in der Geschichte unserer bilateralen Beziehungen auf und wir leisten damit unseren gemeinsamen Beitrag zum Aufbau des europäischen Hauses" - ein Satz, der 2001 am Rednerpult im Bundestag fiel und womöglich nie wieder in einer Putin-Rede vorkommen wird. Moskau unterstütze "die europäische Integration", fügte er damals hinzu. Gemeint ist der engere Zusammenschluss in Europa.

Tatsache ist, dass sie (die europäischen Länder) ihre Souveränität weitgehend verloren haben.

Wladimir Putin, Russischer Präsident

Für den engen Schulterschluss in Europa, den er einst würdigte, hat Putin nur noch Kritik übrig. "Tatsache ist, dass sie (die europäischen Länder) ihre Souveränität weitgehend verloren haben", stellte er auf seiner letzten Pressekonferenz im vergangenen Jahr fest.

Das Bild eines "einheitlichen und sicheren Europas", das er 2001 noch gezeichnet hatte, verwarf er inzwischen gänzlich. Stattdessen behauptete er im Februar dieses Jahres, anti-russische Politiker:innen hätten bereits nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 in Europa "die Macht ergriffen". Aus dem einst sicheren Kontinent wurde also in Putins Augen ein erbitterter Russland-Gegner.

Im Video: Putin blockiert europäische Medien

Von der Kritik an der "Okkupationsideologie" zum Ukraine-Einmarsch

"Ein Volk, das gute Lehren aus dem Kalten Krieg und aus der verderblichen Okkupationsideologie gezogen hat" - so beschrieb Putin in seiner Bundestagsrede sein Land. "Für unser Land, das ein Jahrhundert der Kriegskatastrophen durchgemacht hat, ist der stabile Frieden auf dem Kontinent das Hauptziel", fügte er selbstbewusst hinzu. Formulierungen, die er so heute womöglich in keiner seiner Reden vorkommen würden.

Heute wird Russland unter Putin ebenjene Okkupationsideologie in der Ukraine vorgeworfen, die er einst stark kritisierte. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach im Juni sogar von einem "imperialistischen Raubzug" der Kremlchefs. Der russische Einmarsch in der Ukraine im Jahr 2022 hat ein Wettrüsten in Europa und Russland ausgelöst. Erst kürzlich befahl Putin russischen Behörden, noch mehr Soldaten für den Krieg in Europa zu rekrutieren.

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"Im Haushalt 2002 nehmen die Sozialausgaben den ersten Platz ein. Ich möchte besonders betonen, dass zum ersten Mal in der Geschichte Russlands die Ausbildungsausgaben die Verteidigungsausgaben übertreffen", prahlte damals ein angeblich friedensorientierte Putin im deutschen Parlament.

Ein Blick auf das Jahr 2024 zeigt: Auch diese Entwicklung, mit der der Präsident 2001 noch prahlte, ist Geschichte. Erstmals seit dem Zerfall der Sowjetunion überstiegen laut der "Neuen Zürcher Zeitung" im russischen Haushalt 2024 die Rüstungsausgaben die Sozialausgaben.

Im Video: Putin stockt Russlands Truppen massiv auf

  • Verwendete Quellen:
  • NZZ: Priorität Krieg: Russland gerät mit seinen gigantischen Militärausgaben in einen Teufelskreis
  • Tagesschau: "Putin will verwischen und vernebeln"
  • Tass: Civilizational code and nuclear doctrine: what Putin said at Valdai Club meeting
  • Tass: EU countries now largely stripped of their national sovereignty — Putin
  • Tass: No sovereignty, no professionals in German leadership, says Putin
  • Tass: Putin describes NATO as US foreign policy tool
  • Tass: West believes that big Russia is not needed, wants to divide and conquer it — Putin
  • Tass: West’s mistakes and path to peace: what Putin told global media
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