Gewalt gegen Kinder
Missbrauch in Würzburger Bistum: Bischof bezeichnet Ausmaß als "erschreckend"
- Aktualisiert: 14.04.2025
- 19:52 Uhr
- Simon Fettal
Video: Redakteur Peter Johannsen
Schweigen, vertuschen: Das Leid der Betroffenen durch Missbrauch im Bistum Würzburg sei vielfach dokumentiert, sagt Bischof Jung. Bei Verdacht wird nun die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.
Das Wichtigste in Kürze
Ein unabhängiges Gutachten zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Würzburg zieht eine schreckliche Bilanz.
Zwischen 1945 und 2019 wurden im Bistum mindestens 226 Kinder und Jugendliche von 51 mutmaßlichen Tätern sexuell missbraucht.
Der derzeitige Würzburger Bischof Franz Jung verurteilt die Taten und bezeichnet das Ausmaß als "erschreckend".
Mittlerweile gibt es im Bistum eine Verpflichtung zur Meldung sexualisierten Fehlverhaltens im dienstlichen Kontext.
Neben Würzburg haben nun auch zahlreiche weitere Bistümer in Deutschland Gutachten zu Missbrauchsfällen in Auftrag gegeben.
Bistum Würzburg mit schlimmer Bilanz
Bischof Franz Jung hat das Ausmaß von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Bistum Würzburg seit 1945 als erschreckend bezeichnet. Das vergangene Woche vorgestellte Gutachten im Auftrag der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs (Ukam) in der Diözese ziehe eine verheerende Bilanz.
"Sie zeigt immer wieder aufs Neue, dass in den Augen der Verantwortungsträger der Schutz der Institution und die Sorge um das priesterliche Ansehen des Täters Vorrang hatten", sagte Jung, der seit 2018 im Amt ist. "Das Wohl der Kinder oder der Betroffenen kam, wenn überhaupt, nur sehr unzureichend in den Blick. Das ist beschämend und erschütternd zugleich." Jung sprach von Jahren des Verdrängens, des Verschweigens und des Vertuschens. Die Wunden der Opfer würden nie heilen.
Mindestens 226 Kinder und Jugendliche Missbraucht
Laut dem Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen wurden zwischen 1945 und 2019 im Bistum mindestens 226 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht. 51 mutmaßliche Täter, darunter 43 Kleriker, sollen mindestens 449 Taten begangen haben. Aufgrund ungenauer Angaben in Akten wurden für das Gutachten auch Schätzwerte herangezogen: Danach ergäben sich sogar 3.053 Taten für denselben Personenkreis. "Ein unvorstellbares Ausmaß", sagte Jung. Rechtskräftig verurteilt wurden die wenigsten Verdächtigen.
Verpflichtung zur Meldung von Fehlverhalten
Mittlerweile seien alle haupt- und ehrenamtlich Tätigen im Bistum dazu verpflichtet, jeden Verdacht auf sexualisiertes Fehlverhalten im dienstlichen Kontext zu melden. Dies sei unabhängig davon, ob es sich um strafbares Verhalten handelt, sagte die Interventionsbeauftragte der Diözese, Kerstin Schüller. Auch anonymen Meldungen werde nachgegangen.
"Jeder Verdacht auf ein entsprechendes Fehlverhalten wird konsequent an die Staatsanwaltschaft übermittelt", sagte Schüller. Das Bistum nehme keine strafrechtliche Einordnung vor. "Nur durch dieses transparente Vorgehen können wir sicherstellen, dass eine Vertuschung von Straftaten nicht möglich ist."
Zahlreiche weitere Bistümer haben Gutachten in Auftrag gegeben
Inzwischen haben zahlreiche Bistümer in Deutschland Gutachten zu Missbrauchsfällen in Auftrag gegeben, Betroffenenbeiräte und Kommissionen eingesetzt.
In Würzburg will Jung nun am 14. Mai mit dem Betroffenenbeirat und weiteren Opfern über das Gutachten der Ukam sprechen. Zwei Tage später soll bei einem Workshop erarbeitet werden, wie die Handlungsempfehlungen der Kommission umgesetzt werden könnten. Bis zum Ende des 3. Quartals 2025 sollen konkrete Maßnahmen feststehen. In einem Jahr will das Bistum dann über die Fortschritte bei dem Thema informieren.
Vorgänger-Bischof räumt Fehler ein
Jungs Vorgänger im Amt, Bischof emeritus Friedhelm Hofmann, räumte laut einer von Jung verlesenen Erklärung Fehler in seiner Amtszeit von 2004 bis 2017 ein. "Für die Fälle, in denen Betroffenen kein ausreichendes Gehör geschenkt wurde, Hinweisen zu Übergriffen nicht schnell genug nachgegangen wurde und Täter nicht konsequent genug zur Rechenschaft gezogen wurden, bitte ich ausdrücklich um Entschuldigung."
- Verwendete Quelle
- Nachrichtenagentur dpa