Finanzminister Scholz gibt den Besänftiger
Welcher Abschwung?
- Veröffentlicht: 13.04.2019
- 09:21 Uhr
- dpa
Müssen sich die Bürger in Deutschland Sorgen machen, weil die Wirtschaft schwächelt? Der Finanzminister findet klare Worte. Doch es wird vieles davon abhängen, wie sich internationale Krisenherde entwickeln.
Wirtschaft sei zu 50 Prozent Psychologie, sagte einst der legendäre Wirtschaftsminister Ludwig Erhard. Auch Olaf Scholz kennt die Klaviatur, auf der er nun spielt. Und so versucht er am Freitag in Washington trotz der Abkühlung der Konjunktur eine klare Botschaft über den Atlantik zu schicken, die da lautet: Keine Panik! Aber zugleich macht er klar: Deutschland könnte auf einen wirklichen Einbruch der Wirtschaft reagieren, wenn er denn käme.
So dramatisch aber sieht Scholz die Lage noch nicht, als dass er nun Konjunkturprogramme herausholt, welche die Wirtschaft ankurbeln. Er will besänftigen, unterstützt von Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Das Wirtschaftswachstum verlangsame sich zwar, es gebe aber keinen "Abschwung". Das sei die Realität - und die müsse man zur Kenntnis nehmen. Und man solle nun nicht wieder die alte Platte herausholen, den "Dauerbrenner".
Zu 50 Prozent Psychologie
Das ist der Vorwurf etwa des Internationalen Währungsfonds (IWF), Deutschland investiere zu wenig. Doch die Volkswirte aus der US-Hauptstadt haben keine ganz so schlechten Argumente. Das Wort "exzessiv" fällt, wenn es um die deutschen Strategien zur Vermeidung von Neuverschuldung geht. Die Löhne und Gehälter seien zu niedrig, beklagt etwa der Chef der Europaabteilung beim IWF, der Däne Poul Thomsen. Das sei der Hauptgrund für den noch immer riesigen Handelsüberschuss von 7,4 Prozent. Mehr als sechs Prozent hält die EU als eine Gefahr für die Stabilität.
Trotz aller Appelle für mehr Investitionen etwa in zukunftsweisende Bildung oder in die teils marode Infrastruktur: Scholz will an seiner "schwarzen Null" festhalten, einem Haushalt ohne neue Schulden. Er will das Pulver trockenhalten - wenn es wirklich zu einer Rezession kommen sollte. Die zweite Botschaft: Die internationale Politik muss daran arbeiten, dass sich das Umfeld wieder bessert - ein Wink vor allem an die "America first"-Politik von US-Präsident Donald Trump. "Es ist unsere Aufgabe, für ein sicheres Umfeld zu sorgen, damit Unternehmen und Verbraucher investieren."
Es gehe darum, die "politischen Risiken zu beseitigen", sagte der SPD-Politiker. Zumindest mit dieser Einschätzung liegt er voll auf der Linie de Gastgeber vom IWF. Fondschefin Christine Lagarde hatte am Donnerstag in einem flammenden Appell darauf hingewiesen, dass die Hauptgefahren für die Weltwirtschaft durch politische Dummheiten oder Egoismen heraufbeschworen werden. "Verursacht keine Schäden! Macht das Richtige", rief sie den Regierenden in aller Welt - und nicht zuletzt dem Handelskrieger Donald Trump zu.
"Verursacht keine Schäden!"
Diese Risiken aber haben zuletzt zugenommen. Die fortgesetzte Unsicherheit durch den Brexit, die weiter ungelösten Handelsstreitigkeiten, die Risiken in Ländern wie der Türkei oder Argentinien, der Strukturwandel in China - die Liste der Unwägbarkeiten politischen Ursprungs ist lang. Unternehmen sind verunsichert und investieren weniger, die Weltwirtschaft schwächelt. Das belastet die exportabhängige deutsche Wirtschaft.
Aber was ist das Richtige? Der Verzicht auf Handelsbarrieren à la Autozölle ist das eine. Das Bilden von Puffern in finanzschwachen Ländern, etwa in der Türkei, ist das andere. Eine abgestimmte Notenbankpolitik spielt eine Rolle und ein waches Auge auf den Finanzsektor. In den Bilanzen von Banken und Versicherungen finden sich noch immer zu viele faule Kredite und zu viele Staatsanleihen finanziell klammer Staaten - ein bislang unterschätztes Risiko, wie das Beispiel Italien jüngst zeigte.
In Bezug auf Deutschland meint der IWF seit langer Zeit: Die Bundesregierung muss ihre finanziellen Spielräume nutzen und mehr investieren - in die digitale Infrastruktur oder in die Sanierung maroder Schulen - aber auch in modernere Sozialsysteme. Und auch Frankreich mahnt. "Es gibt viele Länder in der Euro-Zone, die die Mittel haben, mehr zu investieren", sagte Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire der "Financial Times" - und nannte Deutschland, die Niederlande und Finnland.
Prognosen gehen bergab
Das aber wies Scholz am Freitag zurück. Der deutsche Staat habe seine Investitionen bereits erhöht, sagte der Minister und verwies auf den Ausbau etwa der digitalen Infrastruktur und steuerliche Entlastungen zum Beispiel für Familien - eine Tatsache, die auch beim IWF gesehen wird.
Doch Fakt ist: Es geht immer weiter bergab mit den Wachstumsprognosen. Die Bundesregierung dürfte am kommenden Mittwoch verkünden, in diesem Jahr nur noch ein Plus des Bruttoinlandsproduktes von 0,5 Prozent zu erwarten - statt wie bisher 1,0 Prozent. Dies könnte auch deutliche Auswirkungen haben auf die Steuerschätzung Anfang Mai - denn die Prognose ist Grundlage für die Schätzung. Bisher sagt das Finanzministerium: die Steuereinnahmen legen noch zu, aber auf einem geringeren Niveau.
"Es ist verständlich, dass Scholz beschwichtigt", sagt FDP-Fraktionsvize Michael Theurer. "Er sollte die Lage aber auch nicht schönreden." Es müsse nun gegengesteuert werden, dann lasse sich eine Rezession möglicherweise noch abwenden. Theurer forderte die vollständige Soli-Abschaffung oder eine Unternehmenssteuerreform. Das fordern auch die deutsche Wirtschaft und der in die Kritik geratene Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) seit langem - haben sich aber bisher bei Scholz eine Abfuhr abgeholt.