US-Wahl und das "Gender Gap"
Frauen wollen Harris, Männer wollen Trump: Der US-Wahlkampf spaltet die Geschlechter
- Aktualisiert: 06.09.2024
- 12:05 Uhr
- Oliwia Kowalak
Donald Trump oder Kamala Harris – viele Bürgerinnen und Bürger der USA haben sich schon entschieden. Wählerinnen hegen eine besondere Begeisterung für Harris, Wähler hingegen würdigen Trump. Doch was sind Gründe für die demografische Spaltung bei der Präsidentschaftswahl?
Das Wichtigste in Kürze
Am 5. November finden in den Vereinigten Staaten die Präsidentschaftswahlen statt.
Die Kandidat:innen Donald Trump und Kamala Harris repräsentieren demografische Wählergruppen – Frauen wollen Harris, Männer wollen Trump.
Grund für den Gender-Gap sehen Experten nicht nur in der politischen Ausrichtung der Opponenten - sondern auch in dem Symbolcharakter der Bewerber für das Präsidentschaftsamt.
Trump oder Harris? Diese Frage stellt sich bis zur US-Präsidentschaftswahl am 5. November die gesamte Welt. Der Wahlausgang entscheidet nicht nur über die Zukunft der Vereinigten Staaten, sondern wird seine Auswirkungen auf dem Rest des Globus entfalten. Die Kandidaten der diesjährigen Wahl vertreten dabei nicht allein die Interessen der amerikanischen Bevölkerung – sie haben auch einen Symbolcharakter.
Trump prahlt mit Plan für "garantiertes" Ende des Ukraine-Krieges
Besonders gern wirbt der Republikaner Donald Trump mit pathetischen Aussagen und einer "gewaltvollen Rhetorik" um die Gunst seiner Wähler. Der Hype um Trump als Kultfigur zieht insbesondere männliche Wahlberechtigte an. Und trotzdem sich seine Stimme oftmals gegen Einwanderer richtet, sympathisieren immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund mit dem großmäuligen Ex-Präsidenten.
"Wir beobachten hier seit einiger Zeit, dass gerade junge Latinos verstärkt mit Trump sympathisieren", sagt die Mexikanerin Carla Chavarria von der Organisation Iconico gegenüber dem "Spiegel", die mit der Latino Community in Phoenix, Arizona arbeitet. Umgekehrt zeichnet sich jedoch auch eine starke Sympathie bei Frauen für die Demokratin Kamala Harris ab. "Viele Frauen hier begeistern sich für Harris; die meisten wollen sie wählen".
Eine US-Studie zeigte erst kürzlich, dass sich der Gender-Gap bei jüngere Generationen in den vergangenen Jahren weltweit beobachten lässt. Junge Frauen ordnen sich politisch links ein, junge Männer eher rechts. Laut Soziologin Katja Rost von der Universität Zürich kann dieses Phänomen in allen Wohlstandsländern beobachtet werden, wie "SRF" schreibt. Grund dafür ist nach Meinung der Expertin die Verfestigung der Geschlechterstereotypen: Frauen haben eine Neigung für soziale Themen, wie Emanzipations- und Gleichstellungsanliegen sowie "MeToo", die oftmals von den linken Parteien thematisiert werden. Hingegen punkten bei Männern eher Themen rund um Wirtschaft und Technik.
Trump ein "Rollenvorbild" für Männer
Die Werte und Geschlechter der Präsidentschaftskandidaten der USA greifen diese Tendenzen in Amerika auf. 58 Prozent der Frauen würden laut einer aktuellen Umfrage der Quinnipiac University für Harris und 37 Prozent für Trump stimmen. Bei Männern ist das Verhältnis umgekehrt: 57 zu 39 Prozent für den Republikaner. Insbesondere in den Swing States, also hart umkämpften Bundesstaaten, wie Arizona, Pennsylvania, Georgia, North Carolina, Michigan, Wisconsin und Nevada, die für den Wahlausgang entscheidend sind, ist der Gender-Gap besonders groß.
Donald Trump symbolisiert ein Stereotyp, zu dem viele junge Männer aufblicken. "Trump sagt, was er will, er stellt sich als erfolgreicher Geschäftsmann dar, hat schöne Frauen und Statussymbole wie Autos oder Flugzeuge", sagt die demokratennahe Chavarria. Seine Rhetorik ist polarisierend, er spricht herabwürdigend über Frauen. Oftmals nutzt Trump christliche Bilder und stilisiert sich im Wahlkampf zum Messias. "Für manche jungen Latino-Männer ist er ein Rollenvorbild. Sie wollen werden wie er" sagt Chavarria.
Trump provoziert, erzeugt Missverständnisse mit seiner harschen Rhetorik und schafft es damit, den Rahmen des Sagbaren mehr und mehr zu verschieben. "So verschieben sich nicht nur die Grenzen des Sagbaren, sondern auch die Grenzen dessen, was wir von ihm gewöhnt sind", erklärte Historikerin und Autorin Annika Brockschmidt gegenüber dem "BR24".
Experte: Anteil unverheirateter Frauen verantwortlich für Gender-Gap
Frauen fühlen sich von dem Typ erfolgreicher Geschäftsmann mit scharfer Zunge eher abgestoßen. Kamala Harris dagegen verkörpert das Bild einer selbstbewussten, unabhängigen Frau und lässt sich selten auf den degradierenden Schlagabtausch mit ihrem Opponenten ein. Frauen haben durch den gesellschaftlichen Wandel an Aufwind gewonnen und sich von klassischen Rollenbildern emanzipieren dürfen.
Einige Männer hätten dadurch das Gefühl, "dass sie durch diesen Wandel etwas verlieren, dass sie weniger Perspektiven bekommen als ihre Väter, dass sie in der Schule und der Arbeit gegenüber Frauen benachteiligt werden", kommentierte Daniel Cox, Demograph und Leiter des Survey Centers on American Life. Trump und seine Partei, so der Experte, "greife diesen Groll immer wieder auf und stellen sich als Verfechter der Männlichkeit dar".
Das Gender-Gap liege nach Ansicht von Cox am stark gestiegenen Anteil unverheirateter Frauen. Ihnen fehle ein Ehegatte, dem sie sich politisch anpassen könnten. "Früher haben Ehefrauen oft nach der Frage entschieden: Wer ist der beste Kandidat für unsere Familie? Jetzt fragen sich Singlefrauen: Wer ist die beste Person für meine Vorstellungen?", so Cox. Frauen würden die Gesellschaft durch die #MeToo-Debatte zunehmend als frauenfeindlich empfinden, "und versuchen, etwas zu verändern".
Harris will "Konsequenzen" für illegale Migranten
Spaltendes Thema Abtreibung: Harris klar positioniert
Diese auseinanderdriftenden politischen Tendenzen konnten anhand der Sotomo-Studie im Auftrag der "NZZ am Sonntag" auch in der Schweiz beobachtet werden. Der Anteil junger Frauen, die sich als links einstuften, und der Anteil junger Männer, die sich als rechts einstuften, ist innerhalb von 13 Jahren erheblich gestiegen.
Auch in Polen hat der gestiegene Anteil von Frauen bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr dazu geführt, dass linksliberale Parteien erstarken konnten und die konservative PiS ihren Regierungsauftrag an Donald Tusk von der Bürgerkoalition abtreten musste. Besonders das Thema Abtreibung hat in Jahr 2023 Frauen in Polen dazu bewegt, ihre Stimme den liberalen Parteien abzugeben. Die konservative PiS verschärfte das Abtreibungsgesetz im Jahr 2020, wodurch Frauen nur bei Vergewaltigung und bei Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einen Abbruch vornehmen konnten.
In den USA bestimmt das Thema Abtreibung bei der kommenden US-Wahl ebenso eine entscheidende und spaltende Debatte. Im Jahr 2022 kippte der Supreme Court das wichtige, 50 Jahre alte Grundsatzurteil zum landesweiten Abtreibungsrecht. Bis dahin waren Abtreibungen bis zur 24. Schwangerschaftswoche möglich. "Die Verfassung gewährt kein Recht auf Abtreibung", hieß es vom obersten US-Gericht, der deutlich aus einer konservativen Mehrheit besteht.
Umfragen des Siena College für "New York Times" zeigen, dass für Frauen der Swing States das Thema Schwangerschaftsabbrüche für die Wahl im November wesentlich sein wird. Männer sehen der Umfrage nach eher die Wirtschaft und das Thema Einwanderung als Wahlmotiv.
Für Kamala Harris könnte das Thema Abtreibung entscheidend sein. Sie setzte sich in der Vergangenheit oftmals für Abtreibungsrechte ein. Auch die Mehrheit der Amerikaner wünscht sich einen eher liberaleren Umgang mit dem Thema. So sieht es auch bei dem Thema künstliche Befruchtung aus. "Vielen Frauen in Arizona sind ihre reproduktiven Rechte sehr wichtig", ergänzt Carla Chavarria von Iconico, "und sie sehen Harris als Fürsprecherin."
- Verwendete Quellen:
- Spiegel.de: "Warum Frauen Harris wählen und Männer Trump"
- BR24: "Blutbad und Bibel: Wie Trumps Rhetorik immer weiter eskaliert"
- SRF.ch: "Studie: Junge Frauen eher links – Männer eher rechts"
- nzz.ch: "Junge Frauen werden linker, junge Männer rechter"
- DW.com: "Haben Frauen bei der Wahl in Polen die PiS gestürzt?"
- Tagesschau.de: "Oberstes US-Gericht kippt Abtreibungsrecht"