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Amazonas

Mysteriöses Delfinsterben im Amazonasgebiet

  • Aktualisiert: 23.11.2023
  • 10:07 Uhr
  • Damian Rausch

Das Amazonasgebiet sieht sich mit einer beispiellosen Dürre konfrontiert, die Wissenschaftler:innen mit wachsender Sorge betrachten. Sie warnen vor möglichen irreparablen Schäden am Regenwald, die dramatische Folgen für die Zukunft haben könnten.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Die intensive Abholzung, die zu einem dramatischen Rückgang der Vegetationsdecke geführt hat, wird als Hauptfaktor für das ökologische Ungleichgewicht im Amazonasgebiet genannt.

  • Die Nachlässigkeit der Regierung Bolsonaro bei der Verfolgung illegaler Rodungen und die Förderung der Motorsägenlobby haben zu einer unkontrollierten Zerstörung des Regenwaldes geführt.

  • Anhaltende Trockenheit verwandelt die Wasserwege in Tefé in Wüstenlandschaften, während die Delfinpopulation massiv unter den Lebensraumveränderungen leidet.

Im Amazonasgebiet gibt es die Legende, dass sich Flussdelfine bei Vollmond in Menschen verwandeln - ein Zeichen ihrer tiefen Verwurzelung in der lokalen Kultur. Die 65-jährige Meeresbiologin Miriam Marmontel erforscht seit mehr als 30 Jahren Amazonas-Delfine und hat viel über ihr Verhalten und ihre Wanderungen gelernt. In ihrem Büro im Forschungsinstitut von Mamirauá hängen zahlreiche Bilder ihrer Forschungsreisen. Doch in letzter Zeit hat sich die Situation verschlechtert: Innerhalb von zwei Wochen starben etwa zehn Prozent der Delfinpopulation im Tefé-See, viele von ihnen in einem Zustand völliger Orientierungslosigkeit.

Klimawandel als Todesurteil: Massensterben der Delfine im See von Tefé

Der See von Tefé, einst Brutstätte für Süßwasserdelfine, hat sich in eine Todesfalle verwandelt. Im Labor der Forscherin Marmontel werden Delfinköpfe zur Untersuchung aufbewahrt, weil nicht genug Platz für die ganzen Körper ist. Marmontel und ihr Team haben viele mögliche Ursachen für das rätselhafte Massensterben der Delfine untersucht, darunter Krankheiten, Biogifte, Pestizidvergiftungen und Hunger. Am Ende kamen sie zu dem Schluss, dass der Klimawandel die wahrscheinlichste Ursache für das Massensterben ist.

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Historische Dürreperiode

Im Amazonasgebiet herrscht eine extreme Trockenheit, die zu historisch niedrigen Wasserständen in Flüssen und Seen und zu einem ungewöhnlichen Anstieg der Wassertemperaturen geführt hat. Im Lago de Tefé erreichte sie 40 Grad, tödlich für die dort lebenden Flussdelfine, die maximal 38 Grad vertragen. Diese Tiere, die perfekt an das Ökosystem des Regenwaldes angepasst sind, leiden unter dem Klimawandel, was die Befürchtung aufkommen lässt, dass der Amazonas einen Wendepunkt (Tipping Point) erreicht hat, an dem er stirbt und sich in eine Savanne verwandelt. Die Wissenschaftlerin Luciana Gatti vom brasilianischen Klimaforschungsinstitut INPE warnt, dass sich die Welt an einen Punkt nähert, an dem der Umweltzerstörungsprozess unumkehrbar wird, betont aber, dass er noch aufzuhalten ist.

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Massive Abholzung verursacht CO₂-Ungleichgewicht

Gatti führt die ungewöhnliche Dürre im Amazonasgebiet auf eine Kombination dreier Faktoren zurück. Erstens führt die starke Erwärmung des Pazifiks, bekannt als El Niño, zu mehr Regen im Süden Südamerikas und zu Hitze und Trockenheit im Norden. Zweitens trägt die Erwärmung des Nordatlantiks dazu bei, indem warme Luftmassen in das Gebiet gelangen. Der dritte und wichtigste Faktor ist die Abholzung der Wälder, die durch den Rückgang der Vegetationsdecke zu einer Verringerung der Verdunstung geführt hat. Seit den 1970er Jahren wurden im Süden und Südosten des Amazonas etwa 30 % des ursprünglichen Waldes vernichtet. 

Diese Abholzung hat dazu geführt, dass die verbliebenen Bäume unter extremem Stress stehen und Teile des Amazonasgebietes heute mehr CO₂ ausstoßen als absorbieren, was eine der wichtigsten Funktionen des Regenwaldes bei der Regulierung des Weltklimas stört.

Anhaltende Rodungen bedrohen unberührte Gebiete

Während der Amtszeit des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro wurde illegale Abholzung kaum verfolgt. Er ermutigte sogar die Motorsägenlobby zum Raubbau im Amazonasgebiet, berichtet der "Spiegel". Seit dem Amtsantritt des jetzigen Präsidenten Lula hat die illegale Abholzung zwar abgenommen. Ob sie aber bis 2030 ganz gestoppt werden kann, ist fraglich. Die Wissenschaftlerin Gatti erinnert daran, dass die Lobby der Großagrarier im Kongress in Brasília stark vertreten ist und die Ausrufung eines Umweltnotstands für ganz Amazonien fordert, um die Abholzung zu sanktionieren.

Auch das Vordringen der Umweltzerstörung in bisher unberührte Teile des Amazonasgebietes ist besorgniserregend. Eine Lobby aus Agroindustrie und Lokalpolitikern drängt auf den Bau einer Straße von Manaus nach Porto Velho, die viele neue Siedler in den Urwald bringen würde.

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Versorgungsengpässe in Manaus

Im brasilianischen Bundesstaat Manaus gibt es gravierende Umweltprobleme. Die Brandrodung hat drastisch zugenommen. Im Oktober gab es fast 4.000 Brandherde gegenüber 1.500 im Vorjahr. Dies führte zu anhaltendem Rauch und Staub über der Millionenstadt Manaus. Eine Dürre ließ den Wasserstand im Hafen von Manaus auf einen historischen Tiefstand sinken, was zu Transport- und Versorgungsproblemen und Kurzarbeit in lokalen Fabriken führte. In vielen Städten und Dörfern fehlt es an Lebensmitteln und Trinkwasser, weil die üblichen Wasserwege ausgetrocknet sind. Häuser an Flussufern sind eingestürzt, weil der Boden nicht mehr standhält.

In Tefé organisiert die Armee die Versorgung mit Trinkwasser und Grundnahrungsmitteln. Die Dürre hat auch zu einer drastischen Veränderung des lokalen Landschaftsbildes geführt: Flüsse trocknen aus, Landschaften veröden.

Delfinsterben als Folge extremer Trockenheit

Die Dürre hat auch zu einem Massensterben von Delfinen geführt. Die Forscherin Marmontel und ihr Team haben versucht, einige Tiere zu retten, indem sie sie in tiefere Gewässer umgesiedelt haben, auch wenn dies mit Risiken verbunden war. Trotz eines leichten Rückgangs der Temperaturen und einer Verbesserung des Wasserstandes in einigen Gebieten bleibt die Situation unsicher und gefährlich für die Delfine.

Weltweit gibt es nur noch sechs Arten von Flussdelfinen - alle sind stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Eine Art ist bereits ausgestorben. Der Rückgang der Bestände ist zu einem großen Teil auf die weltweite Umweltzerstörung zurückzuführen, schreibt der WWF.

  • Verwendete Quellen:
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