Nach Wahlannullierung
Putins Sprachrohr: Rumäniens Präsidentschaftskandidat bedient sich russischer Propaganda
- Veröffentlicht: 31.01.2025
- 20:52 Uhr
- Oliwia Kowalak
Nach der Annullierung des Walprozesses in Rumänien sorgt Rechtspopulist Calin Georgescu mit prorussischen Aussagen für Empörung. Die Ukraine spricht von der Verbreitung russischer Narrative.
Das Wichtigste in Kürze
Rumänischer Präsidentschaftskandidat Calin Georgescu bezeichnete die Ukraine ganz im russischen Stil in einem Interview als "fiktiven Staat".
Nach seinem gescheiteren Sieg bei den Präsidentschaftswahlen wirft ihm die Ukraine vor dem Hintergrund seiner Äußerungen die Verbreitung russischer Propaganda vor.
Zuvor wurde aufgrund einer vermuteten aggressiven Einflussnahme durch Russland auf das Ergebnis der Wahl der Wahlprozess vom Verfassungsgericht annulliert.
Die Unregelmäßigkeiten der Präsidentschaftswahl in Rumänien nutzt der russische Präsident Wladimir Putin für sich. Rumäniens prorussischer Rechtspopulist und parteiloser Präsidentschaftskandidat Calin Georgescu hat jüngst mit der Verbreitung russischer Narrative zum Ukraine-Krieg in einem Interview am 29. Januar schockiert: "Die Ukraine existiert nicht", behauptete der 62-Jährige. In dem Interview mit dem als rechtskonservativ geltenden Journalisten Ion Cristoiu, der einen eigenen YouTube-Kanal betreibt, bezeichnete der Politiker die Ukraine als "fiktiven Staat", dessen Territorien nach dem Krieg mit Russland unter den Nachbarländern aufgeteilt werden sollen, so zitierte "Nexta" ihn auf X.
Im Zuge des Gesprächs erhob der rumänische Präsidentschaftskandidat auch Ansprüche auf ukrainische Gebiete. "Die Welt verändert sich. Grenzen werden sich ändern. Und wenn sich die Grenzen ändern, wo werden wir dann stehen?", fragte er im Interview. Dabei wurde Georgescu auch konkret: "Wir haben Nordbukowina - daran haben wir ein Interesse. Wir haben Budjak, wir haben Nord-Maramureș, richtig?" Die genannten Regionen befinden sich teilweise auf ukrainischem Gebiet nahe der rumänischen Grenze.
Im Video: Präsidentenwahl in Rumänien: Prorussischer Kandidat liegt überraschend vorn
Nach Sieg von Georgescu: Präsidentschaftswahl in Rumänien annuliert
Calin Georgescu erhielt bei der rumänischen Präsidentschaftswahl am 24. November vergangenen Jahres als Parteiloser im ersten Wahlgang die Mehrheit der Stimmen. Wenige Tage später forderte das Verfassungsgericht die Oberste Wahlbehörde zur Neuzählung auf. Der Oberste Verteidigungsrat teilte in einer Stellungnahme mit, es habe einen aggressive Einflussnahme Dritter auf den Wahlprozess gegeben – die Spuren führten nach Russland.
Infolgedessen annullierte das Verfassungsgericht den Wahlprozess im Dezember wegen angeblicher russischer Einmischung und einer hybriden Kampagne auf TikTok. Die Wahl muss demnach wiederholt und alle Kandidaturen sollen nach Ansicht des Verfassungsgerichts neu geprüft werden, hieß es später. Georgescu nannte den umstrittenen Beschluss des Gerichts einen "Staatsstreich". Ein Eilantrag vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen die Entscheidung scheiterte bereits.
Wahl-Manipulation in Rumänien? Ermittlungen deuten auf Einflussnahme durch staatliche Akteure
Der als ultranationalistisch geltende Georgescu führte seinen Wahlkampf hauptsächlich über TikTok. Mittels der Plattform konnte er eine Reichweite von Hunderttausenden Menschen aufbauen. Der rumänische Geheimdienst habe jedoch Unregelmäßigkeiten festgestellt. Wie vom Obersten Verteidigungsrat veröffentlichte Dokumente zeigen, seien mehr als 85.000 Cyber-Angriffe auf wahlrelevante Accounts verzeichnet worden - unter Verwendung von fortgeschrittener Verschlüsselungstechnik, so berichtet die Konrad-Adenauer-Stiftung in einer Analyse.
Demnach seien Zugangsdaten zu Domains, die mit dem Wahlprozess in Verbindung stehen, auf russischen Plattformen für Cyberkriminalität veröffentlicht worden. Es seien 25.000 Accounts geschaffen worden, die laut Bericht in den zwei Wochen vor der Wahl aktiviert wurden. TikTok gestand dieses Netzwerk ein, wie es weiter hieß. Zudem sei ein weiteres Netzwerk, welches Verbindungen zum russischen Nachrichtenportal Sputnik haben soll, außerhalb TikToks auf Telegram und Discord koordiniert worden. Die Art und Durchführung wiesen auf staatliche Akteure hin, so geht es aus den Dokumenten hervor.
Die Regierung warf Georgescu außerdem vor, die Kennzeichnung entsprechender Beiträge auf Social Media als Wahlwerbung versäumt zu haben. Călin Georgescu beteuerte weiterhin, keinen einzigen Euro für seine Kampagne ausgegeben zu haben. Jedoch geht aus den veröffentlichten Dokumenten zur Untersuchung eine Summe von mehr als eine Million Euro hervor - was ebenso einen Verstoß gegen rumänisches Wahlgesetz bedeutet. Bei Durchsuchungen durch rumänische Polizisten im Umfeld von des Präsidentschaftskandidaten fand man darüber hinaus große Summen an Bargeld und Waffen.
Ukraine weist Rhetorik als russische Propaganda zurück
Die jüngsten Aussagen des prorussischen Georgescu sorgten zugleich für Empörung in der Ukraine. Sprecher des ukrainischen Außenministeriums, Heorhii Tykhyi wirft dem rumänischen Politiker vor, ein russischer Handlanger zu sein: "Seine Versuche, sich als 'unabhängiger' Politiker zu positionieren, wirken absurd – seine Rhetorik ist identisch mit der russischen Propaganda und zeigt die völlige Abhängigkeit von seinen Herren in Moskau". Er wies die Äußerungen als revisionistisch und im Widerspruch zu internationalen Normen, der UN-Charta und demokratischen Werten zurück, wie "The Kyiv Independent" schreibt.
Darüber hinaus teilte der ukrainische Sprecher mit, dass man weiter auf die Unterstützung Rumäniens für einen "umfassenden, gerechten und nachhaltigen Frieden" in der Ukraine hoffe. "Wir erinnern Sie daran, dass eine solche Entwicklung nicht Teil der Pläne des Kremls und seiner Marionetten ist", fügte er hinzu.
"Georgescu handelt nach dem Desinformations-Drehbuch des Kremls. Er wiederholt nicht nur die weit verbreitete russische Behauptung, die Ukraine sei kein echtes Land, sondern verstärkt auch das Narrativ, die östlichen EU-Mitglieder planten die Übernahme ukrainischer Gebiete", monierte auch ehemaliger ukrainischer Regierungsberater Anton Gerashchenko die jüngsten Äußerungen Georgescus.
Russische Narrative zur Legitimierung des Ukraine-Kriegs
Putin führt seit Beginn des Krieges in der Ukraine mit der Verbreitung von Narrativen einen Informationskrieg mit dem Westen. Der Kreml-Boss nutzt derartige Kommunikationsstrategien, um den Ukraine-Krieg zu legitimieren. Mitunter stellt er die Ukraine als faschistischen Staat dar, der von Nazis beherrscht wird. Der Krieg gegen das Land wird seither unter dem Vorwand der "Entnazifizierung" geführt. Weiterhin wird in russischen Medien davon gesprochen, dass Russen und Ukrainer ein Volk wären. Die Ukraine sei demnach keine eigene Nation mit eigener Geschichte, so das russische Narrativ.
Nach Meinung von Experten zielt diese Darstellung darauf ab, der Ukraine das Existenzrecht als souveräner Staat abzusprechen. Historiker verweisen hierbei auf die ukrainische Historiografie und den Prozess der Entkolonialisierung vom Russischen Reich und der Sowjetunion, die als Widerspruch zum russischen Narrativ stehen, wie das Zentrum für politische Bildung in einer Analyse schreibt.
Russen bilden in der Ukraine die größte Gemeinschaft außerhalb Russischen Föderation ab und gelten als größte ethnische Minderheit der Ukraine. Eine Volkszählung aus dem Jahr 2001 ergab, dass 17,3 Prozent der Bevölkerung ethnische Russen waren, 34 Prozent gaben Russisch als ihre Muttersprache an. Jüngste Umfragen zeigen jedoch einen dramatischen Einbruch.
Die aktuelle Regierung Rumäniens gilt als Ukraine-nah und leistet nicht nur militärische Unterstützung, sie erleichtert auch den Transit ukrainischer Agrarprodukten. Der ukrainische Agrarsektor ist ein wichtiger Teil der Wirtschaft und bildete 2024 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ab. Präsidentschaftskandidat Georgescu sprach sich für den Austritt aus der NATO und der EU aus und gegen Militärhilfen für die Ukraine sowie dem Transit von ukrainischem Getreide durch Rumänien. Der nächste Termin für die Präsidentschaftswahl in Rumänien ist für den 4. Mai angesetzt.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa
- kyivindependent.com: "Georgescu has 'masters in Moscow' — Kyiv slams Romanian politician over comments on Ukraine's partition"