Von der Leyen kritisiert Marktverzerrung
Riskiert Europa einen Handelskrieg? EU erwägt Strafzölle auf Chinas E-Autos
- Aktualisiert: 13.09.2023
- 19:46 Uhr
- Michael Reimers
Vermutlich auf Druck Frankreichs lässt die EU die staatliche Förderung für chinesische Elektroautos untersuchen. Deutsche Autobauer befürchten Gegenreaktionen aus China.
Das Wichtigste in Kürze
Die Europäische Union überprüft Chinas Staatshilfen für Elektroautos.
Am Mittwoch (13. September) kündigte die EU eine Untersuchung der Subventionen für chinesische Autohersteller an.
Ein Branchenexperte vermutet die französische Autoindustrie hinter dem EU-Vorstoß, der sich eigentlich gegen die deutsche Autoindustrie richte.
Die EU nimmt die staatliche Förderung für chinesische Elektroautos ins Visier. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte am Mittwoch eine Untersuchung der Subventionen für Autohersteller aus China an. "Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt - das verzerrt unseren Markt", sagte die deutsche Spitzenpolitikerin im Europaparlament in Straßburg. Das sei nicht akzeptabel. Die Weltmärkte würden von billigeren chinesischen Elektroautos überschwemmt.
China: Weltmarktführer bei Elektroautos
Nicht zuletzt dank üppiger Subventionen hat sich die Volksrepublik zum größten Markt für Elektrofahrzeuge entwickelt. Zahlreiche innovative Start-ups sind entstanden, die nach Einschätzung von Branchenexperten hervorragende Autos mit Elektroantrieb bauen. Kommissionsangaben zufolge sind chinesische Elektroautos normalerweise rund 20 Prozent günstiger als in der EU hergestellte Modelle. Es wird damit gerechnet, dass der Anteil chinesischer Elektrofahrzeuge von derzeit 8 auf 15 Prozent im Jahr 2025 steigen werde.
Eine sogenannte Antisubventionsuntersuchung kann dazu führen, dass beispielsweise Strafzölle erhoben werden. In der Vergangenheit hatte die EU unter anderem schon auf Solarpaneele aus China Antidumpingzölle eingeführt.
Habeck befürwortet angekündigte Überprüfungen
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck begrüßte die Ankündigung einer Untersuchung. Es gehe um "unlauteren Wettbewerb" und nicht darum, leistungsfähige, günstige Autos aus dem europäischen Markt herauszuhalten, erklärte der Grünen-Politiker bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) am Mittwoch.
Ziel sei es zu schauen, "ob es versteckte, direkte oder indirekte Subventionen gibt, die einen unlauteren Wettbewerbsvorteil haben." Für den Bundeswirtschaftsminister sei es insgesamt die richtige Haltung: "Was sollte man denn sonst tun, wenn man den Verdacht hat, dass es unlauteren Wettbewerb gibt?" Ähnlich äußerte sich Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Habeck: "Europa muss in der Lage sein, seine ökonomischen Interessen zu verteidigen."
Deutsche Autobauer reagieren zurückhaltend
Die Autoindustrie vertrat die Ansicht, die Untersuchung alleine löse bestehende Herausforderungen nicht. Es brauche langfristige Strategien, denn der deutsche und europäische Standort leide unter hohen Energiekosten, Steuern, Abgaben, Umlagen und unter zu viel Bürokratie, sagte ein Sprecher des Verbands der Automobilindustrie (VDA) auf Anfrage.
Der Sprecher wies auch darauf hin, dass Antisubventionsuntersuchungen der EU sehr formale Verfahren auf Basis festgelegter Kriterien und Schritte seien. Schäden müssten bemessen werden können und zudem mögliche Gegenreaktionen aus China berücksichtigt werden.
Vor allem für die deutsche Autoindustrie stehe sehr viel auf dem Spiel, sagte der Direktor des Center Automotive Research, Ferdinand Dudenhöffer, der dpa. Die Deutschen verkauften 30 bis 40 Prozent ihrer Autos auf dem chinesischen Markt und wären nach seiner Einschätzung das erste Ziel von Gegenmaßnahmen. Deutsche Autobauer selbst äußerten sich zunächst zurückhaltend. BMW teilte mit, man wolle die Ankündigung nicht kommentieren, solange noch keine konkreten Eckpunkte vorlägen.
"Wir müssen uns gegen unfaire Praktiken wehren."
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, 13. September 2023
Europa sei offen für Wettbewerb, aber nicht für einen ungleichen Unterbietungswettlauf, erklärte von der Leyen. "Wir müssen uns gegen unfaire Praktiken wehren." Zugleich betonte sie, es sei unabdingbar, mit China im Dialog zu bleiben.
Als ein Risiko im Umgang mit China gilt etwa, dass wichtige Industriezweige ihre Produktion auslagern. "Wir haben nicht vergessen, wie Chinas unfaire Handelspraktiken unsere Solarindustrie beeinträchtigt haben", sagte von der Leyen. Die Produktion von Solaranlagen hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend nach China verlagert, die deutsche Solarindustrie verlor ihre zwischenzeitlich große Bedeutung.
Verärgerung Chinas mit Ansage
Mit Blick auf E-Autos hat die chinesische Führung schon vor Jahren das Ziel ausgegeben, Technologieführer zu werden. Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung Chinas warnte Dudenhöffer vor Strafzöllen: "Sollten Maßnahmen gegen chinesische Importe in Europa ergriffen werden, können wir mit absoluter Sicherheit erwarten, dass China reagiert. Ein Bruch mit China würde die deutsche Autoindustrie äußerst stark verletzen." Allein die Ankündigung aus Brüssel werde bei den Chinesen für Verärgerung sorgen.
Gleichzeitig geraten deutsche Autohersteller durch die inzwischen teilweise überlegene Konkurrenz stark unter Druck. Jahrzehntelang profitierten sie vom rasanten Wachstum in China und freuten sich über ihre enormen Absatzzahlen von Verbrenner-Autos dort. Doch bei der Entwicklung von E-Autos zögerten sie zu lange. Erst kürzlich musste Volkswagen den Titel des größten Autoherstellers in China an das heimische Unternehmen BYD abtreten, das deutlich mehr Autos mit Elektroantrieb verkauft.
Der Autoexperte Dudenhöffer vermutet die französische Autoindustrie hinter dem nun angekündigten EU-Vorstoß. Dieser richte sich eigentlich gegen die deutsche Autoindustrie. Stellantis und Renault seien in China kaum präsent, fürchteten aber auf dem heimischen Markt die starke Konkurrenz chinesischer Autobauer wie BYD.
- Verwendete Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa