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Jahrestag des Hamas-Überfalls

Ein Jahr nach Hamas-Massaker in Israel: Zerstörung und Eskalation im Nahen Osten

  • Aktualisiert: 07.10.2024
  • 11:38 Uhr
  • dpa

Die Ereignisse am 7. Oktober letzten Jahres führten zum schlimmsten Blutvergießen in der Geschichte des Konflikts Israels mit den Palästinensern - und führen zu einem Schneeballeffekt in Nahost. Es folgt eine weltweite Antisemitismus-Welle.

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Inhalt

Auch ein Jahr nach dem schlimmsten Massaker in Israels Geschichte sind im Grenzgebiet zum Gazastreifen die Spuren des Grauens noch deutlich sichtbar. Dort stehen weiterhin ausgebrannte Häuserruinen. Es zeigt sich aber auch der Beginn des Wiederaufbaus in den Ortschaften. Auf dem Gelände des Nova-Musikfestivals recken sich zum Gedenken an die Hunderten jungen Opfer rote Anemonen - die Blumen sind Symbol des israelischen Südens - in die Höhe.

Mit dem beispiellosen Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 mit mehr als 1.200 Toten - Männer, Frauen und Kinder - ist unfassbares Leid über die Region gekommen. Ganz besonders über den Gazastreifen selbst, zuletzt aber auch über Israels Nachbarland Libanon.

Die Bilanz der einjährigen israelischen Angriffe sowie der Kämpfe der Armee mit Militanten im Gazastreifen als Folge des Hamas-Massakers sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde rund 42.000 getötete Palästinenser, etwa ein Drittel davon Kinder und Jugendliche, mehr als 95.000 Verletzte und schwerste Verwüstungen.

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Israelische Gesellschaft zutiefst gespalten

Die Schlagkraft der Hamas ist zwar inzwischen massiv dezimiert, dennoch sind nach einem Jahr Krieg immer noch mehr als hundert Geiseln in ihrer Gewalt. Auch zahllose riesige Demonstrationen ihrer verzweifelten Angehörigen und konnten bisher kein Abkommen zu ihrer Freilassung erreichen. Für viele ist das wie eine offene Wunde. Israels längster und blutigster Krieg seit der Staatsgründung 1948 ist ein unerträglicher Härtetest für die Gesellschaft, die auch zutiefst gespalten ist zwischen Anhängern und Gegnern der rechtsreligiösen Regierung von Benjamin  Netanjahu.

Im Video: Situation in Israel nach dem Festival-Massaker

Teheran legte einen "Feuerring" um Israel

Zuletzt hat sich der Schwerpunkt der erbitterten Kämpfe vom Gazastreifen in den Norden verschoben, wo Israel gegen die libanesische Hisbollah-Miliz vorgeht. Die Hisbollah gehört wie die Hamas zur sogenannten "Widerstandsachse" von Israels Erzfeind Iran. Für diese dienten das Hamas-Massaker und der Kriegsbeginn als Auftakt einer Serie von Angriffen auf den jüdischen Staat - aus dem Libanon, Syrien, dem Iran und dem Jemen.

Israel spricht von einem "Feuerring", den Teheran um das kleine Land am östlichen Rand des Mittelmeers gelegt habe. Der jüngste Raketenangriff des Irans auf Israel verstärkte noch einmal die Furcht vor einer weiteren brandgefährlichen Eskalation in der ganzen Region.

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Verheerende Zerstörungen im Gazastreifen

Israel reagierte nach dem 7. Oktober mit massiven Vergeltungsangriffen auf seine Feinde. Am schwersten betroffen ist der Gazastreifen, wo etwa 90 Prozent der gut zwei Millionen Einwohner zu Binnenflüchtlingen geworden sind. Viele davon mussten mehrmals vor den heftigen Angriffen flüchten. Vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag läuft eine von Südafrika angestrengte Völkermord-Klage gegen Israel. Die Hamas-Führungsriege im Gazastreifen sowie im Ausland hat Israel systematisch getötet, nur der Gaza-Chef Jihia al-Sinwar ist vermutlich noch am Leben.

Im Video: Baerbock stellt klare Forderungen an Israel

Dass politische Führung und Militär sowie Geheimdienste der Hochtechnologiemacht Israel das Massaker am 7. Oktober nicht verhindern konnten, gilt als schweres, kaum begreifbares Versagen. Augenzeugen beschrieben schlimmste Gewalt an den Einwohnern der Grenzorte sowie an Besuchern des Nova-Musikfestivals - darunter grausame Verstümmelungen und Vergewaltigungen. Viele der Terroristen dokumentierten ihre Gräueltaten selbst mit Go-Pro-Kameras und übertrugen die Vorfälle live über soziale Netzwerke.

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Israel will mit Gewalt seine Abschreckung wiederherstellen

Seit dieser Demütigung versucht Israel, auch mit Gewalt seine beschädigte Abschreckung in der Region wiederherzustellen, vor allem gegenüber dem Erzfeind Iran. Die Tötung des einflussreichen Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah im vergangenen Monat wird auch als Versuch eingestuft, den genannten "Feuerring" zu durchbrechen.

Nach Einschätzung des israelischen Politik-Professors Jonathan Rynhold hatte Israels Ruf nach dem 7. Oktober zunächst deutlich gelitten. Der Schock des Massakers habe Israels Ansehen als starke regionale Macht und Verbündeter gegen den Iran erschüttert. Dies habe sich aber inzwischen - ein Jahr nach Kriegsbeginn - klar gewandelt. Israel ist sichtbar von der Defensive in die Offensive gegangen.

Bereits bei dem ersten Großangriff des Irans und seiner Helfershelfer auf Israel im April habe sich auch die Unterstützung durch Israels Verbündete in der Region bewiesen, sagt Rynhold. In einer klaren Machtdemonstration haben die USA weitere Kriegsschiffe in die Region verlegt.

Er gehe ebenso davon aus, dass Saudi-Arabien nach Kriegsende weiter an einer Normalisierung der Beziehungen mit Israel interessiert sein werde. Der Angriff am 7. Oktober wurde auch als Versuch der Hamas gesehen, dieses neue Bündnis zu torpedieren.

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Ansehen Israels nimmt Schaden

Das Leid im Gazastreifen machte die Unterstützung Israels für seine Partner jedoch kostspieliger. "Global betrachtet hat Israels Ansehen - vor allem in den Augen der Linken im Westen und in Afrika und Asien - zweifellos Schaden genommen", sagte Rynhold. "Bei dem Mitte-Rechts-Lager ist es dagegen gestiegen, weil sie Islamisten als große Bedrohung des Westens sehen und Israel zeigt, wie man sie effektiv bekämpfen kann."

Schädlich für Israel sei außerdem das Verhalten ultrarechter Mitglieder der Regierung, "wie sie sich im Westjordanland benehmen, mit der Ermutigung von Siedlern, die zu Pogromen gegen Palästinenser gehen". Ein Gegengewicht stellten dagegen die regelmäßigen Demonstrationen Hunderttausender Israelis gegen die Netanjahu-Regierung dar, "weil es ein Bild eines geteilten Landes zeigt, nicht eines rechtsorientierten Landes per se".

Gleichzeitig seien die Bilder von propalästinensischen Protesten an US-Universitäten "beunruhigend", vor allem für jüdische Studenten. Der Hamas-Überfall auf Israel hat tragischerweise laut einer Studie der Universität Tel Aviv weltweit auch die schlimmste Welle antisemitischer Vorfälle seit Ende des Zweiten Weltkriegs ausgelöst.

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Repräsentative "Stern"-Umfrage

Mehrheit der Deutschen spricht sich für härtere Kritik an Israel aus

Das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen stößt auf immer mehr Kritik. Weltweit wird Druck aufgebaut - auch in Deutschland wächst der Wunsch nach härterer Kritik an Israel.

  • 09.04.2024
  • 12:03 Uhr

Kosten des Kriegs

Die wirtschaftlichen Folgen des Kriegs sind besonders im Gazastreifen, aber auch in Israel schmerzhaft spürbar. Nach Schätzungen der israelischen Zentralbank werden sich die Kosten allein des Kriegs gegen die Hamas bis 2025 auf umgerechnet 60 Milliarden Euro belaufen. Diese müssen durch Kürzungen und mögliche Steuererhöhungen wieder wettgemacht werden. Die Auswirkungen machen sich überall bemerkbar: Das Baugewerbe leidet etwa darunter, dass palästinensische Arbeiter keine Genehmigungen mehr bekommen, der Tourismus liegt auch weitgehend brach.

Zukunft des Gazastreifens bleibt ungewiss

Wie soll es nach dem Krieg im Gazastreifen weitergehen? Besonders wichtig ist nach Einschätzung Rynholds die Frage, ob die islamistische Hamas dabei eine Rolle spielen werde oder nicht. Die Hamas habe zwar "ihre konventionelle militärische Stärke verloren". Unklar sei aber, ob es für sie künftig eine Regierungsrolle geben könne, möglicherweise in Zusammenarbeit mit der Palästinensischen Autonomiebehörde.

Israel lehnt sowohl eine Beteiligung der Hamas als auch der Autonomiebehörde bisher strikt ab. Alternativen seien dann aber "Chaos oder eine fortwährende israelische Kontrolle", erklärte der Experte. Er halte es aber für unwahrscheinlich, dass es dazu kommen werde. Auch Bestrebungen rechtsextremer Israelis nach einer Wiederbesiedelung des Gazastreifens gelten bisher als Randphänomene.

Rolle der USA nach der Wahl

Die wichtigste Rolle wird aber weiterhin Israels wichtigster Verbündeter spielen, die USA. Entscheidend sei dabei der Ausgang der Präsidentschaftswahl im kommenden Monat, sagt Rynhold. Langfristig müsse sich in der Region zeigen, "ob die Abschreckungsmacht der USA Israels Feinden gegenüber hält oder nicht". Der neue Präsident oder die neue Präsidentin würden durch die Gegner Israels "zweifellos getestet werden", meint er.

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