Kreml unter Druck
Russland ratlos: Ukraine hält Region Kursk seit einem halben Jahr besetzt
- Aktualisiert: 06.02.2025
- 14:11 Uhr
- dpa
In der Ostukraine haben sich russische Angriffe nach Monaten des Vorrückens spürbar verlangsamt. Auch im Gebiet Kursk kommt Moskaus Gegenoffensive kaum voran. Kiew behält sein kleines Faustpfand.
Ukrainische Truppen verteidigen seit einem halben Jahr ihren Brückenkopf auf gegnerischem Territorium im russischen Gebiet Kursk. Der überraschende Vorstoß vom 6. August 2024 könne nicht hoch genug eingeschätzt werden, erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.
"Irgendwann, wenn der Krieg auf eine diplomatische Lösung zusteuert, wird man sehen, wie wichtig diese Operation war", schrieb er im sozialen Netzwerk X. "Russland wird uns in nächster Zukunft nicht aus Kursk vertreiben." Die russische Gegenoffensive mit 60.000 Soldaten stecke fest, sagte er.
Nachdem die Ukraine 2024 viele militärische Rückschläge hinnehmen musste, hatte das unerwartete Vordringen auf russisches Gebiet ihrer Armee wieder Raum für Manöver verschafft. Die Ukrainer eroberten Militärexperten zufolge mehr als 1.000 Quadratkilometer russisches Territorium. Moskauer Gegenangriffe ließen die Fläche später wieder auf die Hälfte schrumpfen. Doch derzeit kommen russische Truppen wegen geschickt gewählter Verteidigungsstellungen der Ukrainer kaum voran.
Politisch bedeutet die Besetzung, dass Kiew ein Faustpfand für mögliche Gespräche über ein Ende der Kämpfe mit Russland hat. Kremlchef Wladimir Putin will nach Einschätzung Moskauer Medien möglichst vermeiden, dass eigenes russisches Territorium Gegenstand von Verhandlungen wird.
Wo sind die nordkoreanischen Soldaten in der Region Kursk?
Selenskyj erinnerte daran, dass seine Truppen im Gebiet Kursk auch gegen die von Russland zu Hilfe gerufenen Nordkoreaner kämpfen mussten. "Ihre nordkoreanischen Söldner sind schon geflohen", schrieb er auf X. Tatsächlich sind die Soldaten aus dem abgeschotteten kommunistischen Land nach hohen Verlusten seit Mitte Januar nicht mehr an der Front beobachtet worden.
Die ukrainischen Streitkräfte gehen indes nicht davon aus, dass die Nordkoreaner in ihre Heimat zurückbeordert wurden. "Ich glaube, dass sie wieder an der Front auftauchen werden. Sie werden sich angepasst haben", sagte der Offizier Anton Sachartschuk von der 95. Luftlandebrigade den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Seine Truppe hatte ab Dezember im Nordosten der Kursk-Front gegen nordkoreanische Einheiten gekämpft. Die Nordkoreaner seien als Sturmtruppen eingesetzt worden, sagte Sachartschuk. Er vermute, dass sie nun ein Stück hinter der Front umgruppiert würden.
Weniger Kämpfe an der ukrainischen Ostfront
An der Front in der Ostukraine kommen die russischen Truppen nach Monaten heftiger Kämpfe und unablässigen Vorrückens derzeit ebenfalls langsamer voran. "Der russische Raketenterror geht weiter, aber ihre Bodentruppen werden schwächer", sagte Selenskyj.
Der ukrainische Militärblog "DeepState" verwies darauf, dass die berichtete Zahl russischer Sturmangriffe zuletzt stark gesunken sei. Im Dezember hatte der ukrainische Generalstab bis zu 292 Attacken am Tag verzeichnet. Im Januar ging die Zahl bereits zurück. Am Dienstag (4. Februar) und Mittwoch (5. Februar) wurde von jeweils 80 Gefechten berichtet. Uneinig waren sich Militärbeobachter aber darin, ob dies eine operative Pause bedeutet oder ob die seit Herbst 2022 ununterbrochene russische Offensive sich wegen hoher Verluste totgelaufen hat.
In der Nacht zum Donnerstag (6. Februar) griff Russland mehrmals die Großstadt Charkiw in der Ostukraine an. Bei einem Drohnenangriff am späten Mittwochabend setzten herabstürzende Trümmer örtlichen Behörden zufolge zahlreiche Buden auf einem Markt in Brand.
Selenskyj: Brauchen gemeinsame Garantien der USA und Europas
In Kiew wie in Moskau wird weiter auf die angekündigte diplomatische Initiative von US-Präsident Donald Trump gewartet. Dieser will ein Ende des seit fast drei Jahren tobenden Kriegs erreichen, wobei der Weg dorthin unklar ist. Selenskyj berichtete von weiteren Kontakten mit den Amerikanern.
Er stellte erneut klar, dass die Ukraine für ein Ende der Kämpfe tragfähige Sicherheitsgarantien gegenüber Russland brauche. Daran sollten die USA, die EU-Staaten und Großbritannien beteiligt sein. "Ob das ein Truppenkontingent ist, Waffen, Marinepräsenz, Soldaten oder Flugabwehrsysteme - es muss eine gemeinsame Anstrengung zwischen den USA und Europa sein", schrieb er auf X. Und er kam zu dem Schluss: "Um ehrlich zu sein, eine NATO-Mitgliedschaft wäre für alle günstiger."
Bislang sind führende NATO-Staaten wie die USA und Deutschland nicht zu einer Einladung an die Ukraine bereit. Moskau lehnt eine Zugehörigkeit der Ukraine zum westlichen Bündnis wie auch Nato-Truppen auf ukrainischem Gebiet strikt ab.
Strafmaßnahmen gegen Schiffsführer der Schattenflotte
Mit Sanktionen gegen Kapitäne verstärkt die Ukraine den Druck auf die sogenannte Schattenflotte Russlands. Selenskyj unterzeichnete in Kiew einen Erlass mit Strafmaßnahmen gegen mehr als 50 russische Schiffsführer und einen Kapitän aus dem Iran.
Die von ihnen geführten Tanker werden zu der Schattenflotte gerechnet, mit der Moskau Öl unter Umgehung von Sanktionen auf den Weltmarkt bringt. Die meisten der im Erlass genannten Schiffe stünden schon auf Sanktionslisten, meldete die Nachrichtenagentur Interfax Ukraina. Bei den Kapitänen solle nicht nur mögliches Vermögen in der Ukraine beschlagnahmt werden. Es werde ihnen verboten, die Ukraine mit ihren Schiffen anzulaufen oder ins Land einzureisen.