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Wahlkampf im Parlament

"Was war das denn?" - Hitziger Schlagabtausch von Scholz und Merz im Bundestag

  • Aktualisiert: 11.02.2025
  • 13:27 Uhr
  • Christopher Schmitt
Schon zu Beginn seiner Rede attackierte Friedrich Merz (rechts) den Bundeskanzler.
Schon zu Beginn seiner Rede attackierte Friedrich Merz (rechts) den Bundeskanzler.© Kay Nietfeld/dpa

Der Kanzler teilt aus, der Oppositionsführer konterte: Sowohl Olaf Scholz (SPD) als auch Friedrich Merz (CDU) nutzten die wohl letzte Bundestags-Debatte im Vorfeld der Neuwahl für den Wahlkampf. Die wichtigsten Aussagen im Wortlaut.

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Inhalt

Der Plenarsaal wurde zur Wahlkampfbühne: Am Dienstagvormittag (11. Februar) kamen die Abgeordneten des Bundestags wohl ein letztes Mal vor der Neuwahl am 23. Februar zusammen, um über die Regierungs- und Oppositionspolitik der vergangenen drei Jahre zu diskutieren. Insbesondere Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) lieferten sich in ihren Reden ein Wortgefecht. Es wurde hitzig im Bundestag: Scholz legte vor – Merz schoss zurück.

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Der Unionsfraktionsführer amüsierte sich zum Einstieg direkt über Scholz' Aussagen zum Auftakt der dreistündigen Debatte: "Was war das denn?" Die Rede sei "25 Minuten abgelesene Empörung über den Oppositionsführer" gewesen. Lesen Sie hier die wichtigsten Zitate zu den großen Themenpunkten.

Brandmauer und AfD

Bundeskanzler Scholz wirft Merz vor, weiterhin Parlamentsmehrheiten mithilfe der AfD in Kauf zu nehmen. "Die Bürgerinnen und Bürger wissen jetzt: Wenn Friedrich Merz den Kompromiss unter Demokraten zu schwierig findet, dann macht er gemeinsame Sache mit denen da", sagte Scholz im Bundestag mit Blick auf die AfD. Er kritisierte es erneut als Bruch eines Tabus, dass die Union einen Antrag für einen schärferen Migrationskurs mit Stimmen der AfD durchgesetzt hatte.

Scholz warf Merz vor, sein Wort, solche Mehrheiten zu vermeiden, im Affekt gebrochen zu haben. "Sie haben gezielt auf die Zustimmung der extremen Rechten gesetzt, um Ihre demokratischen Mitbewerber niederzustimmen." Dies seien ungute Zeichen für die Zeit nach der Bundestagswahl. "Deshalb geht es am 23. Februar darum, eine Mehrheit aus CDU, CSU und AfD unbedingt zu verhindern. Deshalb geht es darum, Schwarz-Blau unmöglich zu machen."

Friedrich Merz wirft dem Kanzler wiederum gezielte Angstmacherei mit Warnungen zum Umgang mit der AfD vor. "Wenn Sie es immer noch nicht verstanden haben, will ich es gerne noch einmal wiederholen: Es kommt eine Zusammenarbeit von uns mit der AfD nicht infrage", sagte der CDU-Chef. Dabei werde es bleiben. "Es ist ein Popanz, was Sie hier aufbauen", hielt er dem Kanzler vor - gemeint sei damit eine "Kunstfigur", mit der man versuche, Menschen Angst zu machen.

Merz nannte es "die schwerste Hypothek" dieser Wahlperiode, dass die AfD sich bei der Wahl Umfragen zufolge auf 20 Prozent verdoppeln könnte. "Das ist das Ergebnis Ihrer Regierungspolitik von SPD, Grünen und FDP, dass das so stattfinden könnte am übernächsten Sonntag", sagte er in Richtung Scholz.

Scholz sagte, für den Tabu- und Wortbruch der Union gebe es keinen Rückhalt, auch nicht unter vielen Konservativen und Liberalen. Er sichere zu: "Mit mir als Bundeskanzler und mit meiner Partei bleibt die Mitte stark in Deutschland."

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Migration und Europa

"In der Hoffnung auf ein paar Prozentpunkte im Wahlkampf, legt er die Axt an den europäischen Zusammenhalt. Was für ein Wahnsinn in dieser kritischen Zeit!", rief Scholz Merz während der Bundestagsdebatte zu.

Deutschland profitiere wie kein anderes Land vom geeinten Europa, erklärte der Kanzler. Merz wolle "die Grenzen dichtmachen" und handele so gegen europäisches Recht, argumentierte Scholz. "Glauben Sie, diese Solidarität entsteht, wenn Deutschland mutwillig europäisches Recht bricht?" Das Vorgehen von Merz in der Asylpolitik schade deutschen Interessen. Scholz warnte vor diesem Weg, der letztendlich "der Anfang vom Ende der Europäischen Union als Rechtsgemeinschaft" und  "ein schwerer Fehler" wäre.

Die europäischen Partner würden sehr genau beobachten, was Deutschland tue, mahnte Scholz. Die Asylzahlen seien im vergangenen Jahr um 100.000 zurückgegangen. Der Januar-Wert bei den Asylgesuchen seit der niedrigste seit 2016 gewesen, erklärte Scholz. Er betonte, dass Menschen mit Migrationsgeschichte Teil des Landes seien, das seien "fast ein Drittel von uns". Es seien "Kolleginnen und Klassenkameraden, Nachbarn und Freunde", erklärte Scholz. "Wir alle gehören zu Deutschland – daran dürfen wir nicht den leisesten Zweifel lassen!"

Steuerpolitik

Zudem kritisierte der Bundeskanzler die Steuerpläne der Union, CDU und CSU wollten die Allerreichsten am allerstärksten entlasten. Bei der Union bekäme das eine Prozent der Allerreichsten Steuergeschenke von 34.000 Euro im Jahr. "Das ist mehr als eine Friseurin im ganzen Jahr verdient." Diese aber speise die CDU in Ihrem Steuermodell mit mickrigen 10 Euro Entlastung im Monat ab. Dies sei hochgradig ungerecht. "Das ist ein Schlag ins Gesicht aller, die unser Land am Laufen halten."

Die SPD dagegen wolle die breite Mitte des Landes deutlich stärker entlasten. Mit Vorschlägen der SPD spare eine Familie mit durchschnittlichem Einkommen über 800 Euro im Jahr, allein an Steuern. Im Gegenzug wolle die SPD das eine Prozent derjenigen mit den allerhöchsten Einkommen etwas stärker an nötigen Investitionen in Bildung oder Infrastruktur beteiligen.

Scholz warf der Union außerdem vor, keine Gegenfinanzierung zu ihren Steuerplänen zu haben – unter Verweis auf Berechnungen von Wirtschaftsinstituten.

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Unionsfraktionschef Merz entgegnete, Scholz würde mit klassenkämpferischen Parolen Wahlkampf machen. "Das ist der blanke Sozialneid. Es ist der Klassenkampf wie auf Juso-Bundeskongressen, den Sie hier vorgetragen haben", konterte der Unions-Kanzlerkandidat die  Vorwürfe. Nötig sei eine grundlegende Steuerreform, verteidigte Merz den eigenen Steuerkurs. Der CDU-Vorsitzende sagte, bei der Verwirklichung von Scholz' Steuerplänen müsse der Spitzensteuersatz auf bis zu 60 Prozent angehoben werden, "damit Sie das bezahlen können, was Sie da für die unteren und mittleren Einkommen versprechen".

Auf laute Zwischenrufe aus den Reihen der SPD reagierte Merz spitz. "Ich kann ja verstehen: Die Hälfte von Ihnen wird möglicherweise ab der übernächsten Woche nicht mehr dabei sein", sagte er mit Blick auf die SPD-Fraktion. "Aber müssen Sie hier denn ein solches Theater aufführen?"

Wirtschaft und Arbeitsmarkt

Scholz verspricht mehr Einkommen für sieben Millionen Arbeitnehmeri:innen durch eine Erhöhung des Mindestlohns nach der Bundestagswahl. Besonders Frauen in Ostdeutschland würden von 15 Euro Mindestlohn profitieren, so der SPD-Politiker. "Hunderttausende weniger wären mit einem Schlag aufs Bürgergeld angewiesen", so Scholz. "Weil sie dann von ihrer eigenen Hände Arbeit leben können. Das heißt für mich Leistungsgerechtigkeit."

Für Merz ist die Wirtschaftspolitik des Kanzlers Komplettversagen. "Es ist ein schieres Desaster, was sie auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen", entgegnete der Kanzlerkandidat von CDU und CSU. Scholz verlasse das Bundeskanzleramt mit fast drei Millionen Arbeitslosen, fast 400.000 mehr als zu Beginn der Amtszeit. Zudem habe es in dieser Zeit 50.000 Unternehmensinsolvenzen gegeben und einen Kapitalabfluss in einer Größenordnung von rund 100 Milliarden Euro im Jahr. "Sie nehmen offensichtlich die Wirklichkeit überhaupt nicht mehr wahr", rief Merz in Richtung Scholz.

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Zeitenwende und Ukraine-Politik

"Ständige Kehrtwenden" in der Sicherheitspolitik und bei der Unterstützung der Ukraine habe sein Konkurrent vollzogen, unterstrich Scholz. "Den Marschflugkörper Taurus wollten Sie erst unbedingt an die Ukraine liefern. Dann war Wahlkampf in Ostdeutschland – und im ZDF-Sommerinterview fanden Sie plötzlich den besonnenen Kurs der Regierung richtig."

Merz habe Scholz einige Wochen später "sogar ein Ultimatum setzen" wollen. "Wer in Fragen von Krieg und Frieden so kopflos daherredet, wer so orientierungslos ist, der sollte keine Verantwortung tragen für Deutschlands Sicherheit", so Scholz, der Taurus-Lieferungen ablehnt. Seinen eigenen Kurs bezeichnete er als "Entschlossenheit und Besonnenheit".

Merz schoss in seiner Rede zurück: Scholz habe falsch auf die Herausforderungen nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine reagiert. Der Kanzlerkandidat der Union erinnerte an die Zeitenwende-Rede des Kanzlers unmittelbar nach Kriegsbeginn. "Es sind Zeiten ohne Wende geblieben", kritisierte er. Die Ampel-Koalition habe damals die Chance nicht genutzt, den zu diesem Zeitpunkt schon überholten Koalitionsvertrag auf die Seite zu legen und die Prioritäten neu zu ordnen, kritisierte der Oppositionsführer.

Blick in die Zukunft

Knapp zwei Wochen vor der Bundestagswahl schwörte Scholz die Bürger:innen auf schwierige Zeiten ein und verbreitete zugleich Zuversicht. "Der Wind weht derzeit von vorn. Und die Wahrheit ist: Das wird sich in den kommenden Jahren auch nicht grundlegend ändern", sagte der SPD-Politiker. Scholz verwies auf die Belastungen durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Probleme der Wirtschaft, die Inflation und die soeben von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle. Er verspreche den Bürger:innen nicht das Blaue vom Himmel, betonte er. Doch er verspreche: "Wir kommen da gemeinsam durch! Wir kommen da durch, wenn wir jetzt nicht falsch abbiegen."

Deutschland komme durch diese schwierigen Zeiten, wenn die politische Mitte stark bleibe. "Wenn das stark bleibt, worauf diese Mitte gründet: Vernunft und Besonnenheit", sagte Scholz.

Friedrich Merz warnte mit Blick auf mögliche Koalitionsgespräche: "Wir werden in der nächsten Wahlperiode eine Regierung brauchen und eine parlamentarische Mehrheit, die es ermöglicht, den großen Herausforderungen unseres Landes wirklich zu begegnen." Dies gelte für die Migrations-, Wirtschafts- und Innenpolitik. Wenn es nicht gelinge, könnten eines Tages die Rechtspopulisten in die Nähe der Mehrheit kommen.

  • Verwendete Quellen
  • Mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa
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