Bruch mit FDP
Wissing über Ampel-Aus: "Kein demokratisches Heldentum"
- Veröffentlicht: 13.11.2024
- 13:42 Uhr
- Michael Reimers
Volker Wissing ist als FDP-Minister in die Ampel gekommen – und wird sie parteilos verlassen. Der dramatische Koalitions-Bruch wäre aus seiner Sicht vermeidbar gewesen.
Das Wichtigste in Kürze
Es waren aufwirbelnde Tage im politischen Berlin – auch für Volker Wissing.
Der Verkehrsminister hat sich während des Ampel-Aus für sein Amt und gegen seine Partei, die FDP, entschieden.
Über die Art und Weise, wie die Koalition zerbrach, gibt sich Wissing mehr als enttäuscht.
Die einen halten ihn für rückgratlos, die anderen zollen ihm Respekt für seine Integrität: Seit dem Ampel-Aus ist Volker Wissing eine streitbare Figur. Der endgültige Bruch zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und dem damaligen Finanzminister Christian Lindner (FDP) bedeutete auch Wissings Bruch mit der FDP: Nach der Entlassung Lindners durch Scholz folgten dem Parteichef die liberalen Minister Marco Buschmann (Justiz) und Bettina Stark-Watzinger (Bildung) aus ihren Ämtern. Verkehrsminister Wissing aber sorgte mit einer komplett konträren Handlung für Aufsehen: Er verließ nicht etwa sein Amt, sondern die FDP. Zusätzlich übernahm er das Justizressort.
Wissing: Ampel-Bruch "ein Tiefpunkt"
Im Gespräch mit der "Zeit" beschreibt der 54-Jährige jetzt, wie er das Ampel-Aus erlebt hat: "Das war wirklich physisches Leiden, denn der Bruch der Ampel ist für mich ein Tiefpunkt", erklärte er. Er sei überzeugt, dass "wir als Demokraten die Aufgabe haben, Kompromisse zu erarbeiten". "An diesem Abend war davon nichts zu spüren, das hatte für mich etwas Destruktives und hat mich sehr enttäuscht. Unsere Demokratie ist an diesem Abend ärmer geworden. Das war kein demokratisches Heldentum", fasste Wissing zusammen.
Im weiteren Gespräch mit dem Blatt untermauerte der Minister nochmals seine Enttäuschung über den Koalitionsbruch - auch in Richtung Lindner: "Die Ampel so scheitern zu lassen, halte ich für verantwortungslos. Das hätte nicht passieren müssen – und auch nicht passieren dürfen", sagte Wissing, angesprochen auf einen kurz vor dem Ampel-Aus in der "FAZ" erschienen Beitrag von ihm, in dem er noch von der Koalitionsaufgabe gewarnt hatte.
Wissing: Probleme nach Neuwahlen noch immer da
Der "Grundfehler" sei gewesen, so Wissing, dass man "diese ungewöhnliche Regierung von Anfang an stärker schützen" hätte müssen. Ohne Namen zu nennen, erklärte der Minister auf die Nachfrage, wer die Koalition hätte schützen müssen: "Jeder konnte verfolgen, wer sich daran beteiligt hat, Trennendes zu suchen, Keile zu treiben, Nadelstiche zu setzen." Weiter sagte er: "Wer andauernd Kompromisse aufkündigt, zerstört den Respekt vor der Meinung der anderen. In dieser Koalition ist das Trennende sehr gepflegt worden." Auch das darf als Hinweis auf FDP-Chef Lindner verstanden werden.
Den Neuwahlen, die nun am 23. Februar stattfinden sollen, steht Wissing kritisch gegenüber: "Mit dieser Flucht in Neuwahlen zur Umgehung schwieriger Entscheidungen wird die Illusion geweckt, dass danach die Probleme nicht mehr existent seien. Das wird nicht so sein", betonte er. Die Haushaltslücke von 15,5 Milliarden Euro sei nach der Wahl immer noch da. "Und all die offenen Fragen auch."
Auch zur Debatte um seine Person äußerte sich Wissing. Er habe sich bei seiner Entscheidung, das Amt fortzuführen, von dem Grundsatz leiten lassen "Erst das Land, dann die Partei", führte er aus, betonte aber gleichzeitig, sich nicht von den Grundwerten der FDP distanziert zu haben. "Nur war es für mich unvereinbar, in dieser Situation weiterhin Mitglied der FDP zu bleiben." Diese Entscheidung bereut Wissing nicht: "Mir geht es damit gut. Ich bin mit mir im Reinen."
Wissing will nicht wieder für Bundestag kandidieren
Zwar hätte er mit FDP-Chef Lindner seither kein klärendes Gespräch mehr geführt, so Wissing auf Nachfrage. Seine Haltung sei Lindner aber bekannt gewesen. Auf die Frage, ob sich die FDP von diesem Bruch erholen könne, gab sich Wissing vage: "Nur so viel: Wenn das ein Befreiungsschlag sein sollte, dann ist es die Befreiung von der Verantwortung. Und die FDP sollte immer für die Freiheit zur Verantwortung stehen."
Zu seiner eigenen Zukunft äußerte sich der Ex-FDPler schon klarer: "Ich bin noch so lange im Amt, bis eine neue Bundesregierung steht, und werde selbst nicht wieder für den Deutschen Bundestag kandidieren", stellte Wissing klar.
Im Video: Ampel-Aus – Welche Projekte die Scholz-Regierung jetzt noch durchboxen könnte
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